Frage: Gibt es neue Erkenntnisse dazu, wie man Nahrungsmittelallergien vorbeugen beziehungsweise bereits manifeste Formen günstig beeinflussen kann?

Expertenantwort: Die frühkindliche Darmmikrobiota spielt eine Schlüsselrolle für die Entwicklung des Immunsystems und Ausbildung oraler Toleranz gegen harmlose Antigene, zum Beispiel aus der Nahrung [1]. Schon vor 20 Jahren ergab eine Studie, dass sich die Darmmikrobiota zwischen Kindern mit und ohne Allergien bereits vor dem Auftreten der Allergie unterscheiden [2]. Auch molekularbiologische Methoden bestätigen, dass eine Dysbiose Nahrungsmittelallergien (NMA) vorausgehen kann [3]. Deshalb ist es naheliegend, die Etablierung einer gesunden Darmmikrobiota zu fördern, um NMA vorzubeugen, und bei manifesten NMA die Dysbiose zu beseitigen, um die Wiederherstellung der Toleranz zu beschleunigen.

Neben dem Geburtsmodus beeinflusst die Ernährung die Darmmikrobiota entscheidend. Stillen fördert eine gesunde Darmmikrobiota. Eine Schlüsselrolle spielen humane Milch-Oligosaccharide (HMO). Seit Kurzem stehen einige Oligosaccharide mit identischer Struktur zu den HMO aus Muttermilch zur Verfügung, darunter 2'-Fucosyllactose (2'-FL) und Lacto-N-neotetraose (LNnT). In einer Studie mit gesunden Säuglingen hatten diejenigen Säuglinge, die mit HMO-haltiger (2'-FL + LNnT) Säuglingsmilch (SMN) ernährt wurden, in ihrem ersten Lebensjahr seltener Atemwegsinfektionen und brauchten seltener Antibiotika [4]. Analysen der Stuhlmikrobiota weisen auf einen Zusammenhang zwischen diesen positiven Effekten und der Darmmikrobiota hin [5].

Mit HMO-haltiger SMN ernährte Säuglinge hatten mit drei Monaten häufiger den für gestillte Kinder charakteristischen Darmmikrobiota-Typ ("fecal community types", FCT) mit einer hohen Dominanz der Bifidobakterien (BiH) (Abb. 1 als Zusatzmaterial online). Diese Kinder brauchen in ihrem ersten Lebensjahr signifikant seltener Antibiotika. Bei Säuglingen mit dem Darmmikrobiota-Typ FCT Bi hingegen, bei dem die Anzahl der vorherrschenden Bifidobakterien weniger hoch ist, ist es zweimal wahrscheinlicher, dass sie in ihrem ersten Lebensjahr Antibiotika verordnet bekommen.

Hoffnung auf positiven Effekt bei manifester Allergie

HMO könnten aber auch für Säuglinge mit manifester NMA nützlich sein. Bei einer Kuhmilchallergie (KMA) ist die Elimination von Kuhmilchprotein aus der Nahrung notwendig. Als erste Wahl wird für nicht gestillte Säuglinge dann eine extensive Hydrolysatnahrung (eHF) empfohlen. Auch hier werden große Hoffnungen an die Supplementierung mit HMO geknüpft: Im Mausmodell besserte die tägliche Gabe von 2´-FL die Symptome einer NMA [6]. Eine randomisierte Studie ergab, dass mehr als 90 % der Säuglinge mit KMA eine eHF auf Basis von Molkenprotein mit 2´-FL (1,0 g/L) und LNnT (0,5 g/L) tolerieren [7]. In einer Studie im Rahmen des EuroPrevall-Projekts führte eine andere eHF bei 51 % der Kinder nicht zu vollständiger Symptomfreiheit [8]. Der Grund könnten Unterschiede im Restgehalt an immunogenen Peptiden sein, wie eine Analyse von eHF verschiedener Hersteller zeigte [9].

In einer Behandlungsstudie erhielten 194 Säuglinge im Alter von unter sechs Monaten mit einer KMA entweder eine eHF mit 2´-FL + LNnT oder ohne HMO [10]. Die HMO-haltige Nahrung wurde gut toleriert. Zu keinem Zeitpunkt der zwölfmonatigen Nachbeobachtung gab es Unterschiede in Wachstumsparametern zwischen den Gruppen. Die Per-Protokoll-Analyse zeigte in der Gruppe "eHF mit HMO" weniger Atemwegsinfektionen, keinen Fall von Otitis media und eine seltenere Verordnung von Antibiotika und Antipyretika. Die geringe Stichprobengröße erlaubt zwar noch keine zuverlässigen Schlussfolgerungen, die ersten Ergebnisse sind aber vielversprechend. Man darf auf die Resultate weiterer Studien gespannt sein.