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COVID-19 hat den Alltagsbetrieb in Praxen gehörig umgekrempelt. Im Interview berichtet die Kinder- und Jugendärztin Dr. Petra Zieriacks aus Bergisch-Gladbach über "Montagsmasken", social distancing im Wartezimmer und darüber, wie sich eine Kinder- und Jugendarztpraxis pandemiegerecht strukturieren lässt.
Frau Dr. Zieriacks, welche Kinder sollten auf SARS-CoV-2 getestet werden?
Dr. Petra Zieriacks: Die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) waren zunächst, Patienten mit Symptomen von Atemwegsinfekten jeglicher Schwere zu testen. Das mag man sich für Erwachsene vorstellen können, für Kinder, die ja häufiger Virusinfekte oder einen Schnupfen haben, sieht das natürlich etwas anders aus. Seit Mitte Oktober empfiehlt das RKI, dass Schüler dann getestet werden sollen, wenn sie zur Risikogruppe gehören, wenn sie einen sehr schweren Verlauf haben, wenn sie typische Symptome für COVID-19 haben oder wenn sie Kontakt zu Risikogruppen hatten.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie Abstriche in der Praxis durchführen?
Zieriacks: In meiner Praxis hat sich das im Laufe der Zeit ein wenig geändert. Zunächst hieß es, dass die Schutzkittel nach jedem Abstrich gewechselt werden sollten. Das bedeutet aber, dass man keine Testungen in der Praxis durchführen kann, weil die Schutzkittel zu schnell verbraucht werden würden. Inzwischen ist aber klar, dass man nicht nach jedem Abstrich den Überkittel wechseln muss. Insofern mache ich das mit den Kitteln wie mit der Maske: Es gibt für jeden Tag eine Maske oder einen Kittel und dann wird die "Montagsmaske" erst nach einer Woche wieder benutzt. So viel Material haben wir nach wie vor nicht, dass man das immer wegschmeißen könnte.
Im Sommer habe ich die Eltern gefragt, ob sie ein Auto haben. Wenn ja, habe ich sie zu den Drive-in-Teststellen in der Umgebung geschickt. Wenn sie kein Auto hatten, haben wir die Abstriche in der Praxis vorgenommen. Ich glaube, da hat jede Praxis eine eigene Strategie entwickelt.
Inzwischen müssen wir noch mehr Testungen veranlassen als vorher. Zusätzlich ist aber auch die Vergütungsregelung für die Abstriche erfolgt. Insofern machen wir, wenn möglich, die Abstriche in der Praxis. Natürlich muss man dabei auch überlegen, wann die Proben abgeholt werden. Freitagnachmittag um 13 Uhr hat es zum Beispiel keinen Sinn mehr, noch einen Abstrich vorzunehmen, wenn der erst am Montag abgeholt wird.
Wie verhindern Sie Ansteckungen in Ihrer Praxis?
Zieriacks: Seit Beginn der Pandemie arbeitet das gesamte Personal bei jedem Patientenkontakt mit FFP2-Masken. Zudem haben wir eine Termin- und eine Akutsprechstunde. In die Akutsprechstunde kommen Kinder, die Infekte haben. Außerdem haben wir zwei Wartezimmer und drei Behandlungszimmer. In jedem Zimmer darf immer nur eine Familie sein. Also sitzt in unseren fünf Zimmern jeweils nur eine Familie. Die Familien dürfen sich auch nicht im Flur begegnen. Wenn ich also ein Kind untersucht habe und zum Beispiel ein Logopädierezept ausstellen möchte, informiere ich die Arzthelferin, bevor ich das Zimmer verlasse, damit das schon vorbereitet werden kann und die Familie nicht lange an der Anmeldung warten muss. Wenn jemand in der Zwischenzeit an der Anmeldung steht, muss die andere Familie im Zimmer warten, bis der Flur wieder frei ist. So können wir gewährleisten, dass Personen unterschiedlicher Familien sich weder im Wartezimmer noch im Flur treffen. Und ich habe den Eindruck, dass die Eltern dafür sehr dankbar sind und sich da auch einfinden können.
Die Arbeit der MFA, die die Praxis organisieren und die Termine vergeben, macht überhaupt erst möglich, dass man in solchen Situationen arbeiten kann. Dafür bewundere ich meine MFAs sehr.
Wie funktioniert die Optimierung des Praxisbetriebs angesichts der sich laufend ändernden Vorgaben während der Pandemie?
Zieriacks: Es ist sehr wichtig, dass sich die MFA jederzeit über die Neuerungen gut informiert fühlen. Wir haben ein Übergabebuch, wo ich manchmal täglich die neuen Maßnahmen hineinschreibe, damit alle auch schriftlich Bescheid wissen, wo es lang gehen muss. Wir haben Listen an allen Arbeitsplätzen, die im Moment fast wöchentlich aktualisiert werden.
Wir hatten ja auch bereits vor der Pandemie Hygienepläne, Gefährdungsbeurteilungen, Trennung von Akut- und Terminsprechstunde - einiges mussten wir jetzt auf die Pandemie einstellen und entsprechend neu regeln. Es ist auch sehr wichtig, mit Fehlern, die vielleicht aufgetreten sind, offen umzugehen, zu besprechen, was passiert ist und sich dann Lösungen zu überlegen. Also normale Maßnahmen im Rahmen des Qualitätsmanagements.
Haben Sie das Gefühl, dass Ihre zusätzliche Arbeit honoriert wird?
Zieriacks: Man muss das differenziert betrachten. Ich fand zu Beginn der Pandemie nicht in Ordnung, dass das Durchführen der Abstriche, was ja unter großem Aufwand erfolgt, nicht zusätzlich honoriert wurde. Ich beobachte aber auch, dass Dinge im Laufe der Pandemie nachgebessert werden. Inzwischen haben wir ja auch eine Ziffer, die den Abstrich honoriert. Insofern gibt es durchaus Probleme, ich habe aber den Eindruck, dass auch versucht wird, diese zu bewältigen und zu lösen.
Grundsätzlich habe ich aber das Gefühl, dass die Interessen der Kinder- und Jugendärzte manchmal nicht wirklich mit eingearbeitet werden. Es bedeutet ja schon einen höheren Aufwand, ob man ein Kind impft, das häufig nicht so begeistert davon ist, oder einen Erwachsenen, und ich finde, solche Dinge könnten sich zukünftig auch in Gebührenpositionen niederschlagen.
Nutzen Sie die Videosprechstunde?
Zieriacks: Ja, die nutzen wir, häufig für Dinge, die man als Blickdiagnose stellen kann. Für alle Beteiligten ist das ein sehr guter, einfacher Weg. Trotzdem gibt es natürlich Vieles, was sich nicht in der Videosprechstunde erledigen lässt, wie Vorsorgeuntersuchungen oder Kinder, die abgehört werden müssen. Es gibt ja in jeder Situation auch Dinge, die sich verbessern, und die Einführung der Videosprechstunde gehört sicher dazu.
Tauschen Sie sich regelmäßig mit Ihren Kollegen aus?
Zieriacks: Kommunikation ist eine ganz wichtige Sache. Im Prinzip steht ja jeder niedergelassene Kinder- und Jugendarzt gerade vor den gleichen Fragen. Wir haben bei uns im Kreis unseren Qualitätszirkel, wo wir uns schnell austauschen können, und eine WhatsApp-Gruppe. Einmal wurde zum Beispiel die Schutzkleidungsausgabe plötzlich über ein Internetportal geregelt, das schreibt man dann schnell in diese Gruppe. Außerdem gibt es das Internetforum PädInform®, wo es viele Informationen gibt. Sich informiert fühlen und sich austauschen, ist ganz, ganz wichtig, und ich finde, es geht einem besser, wenn man von anderen hört, dass sie sich die gleichen Sorgen oder Gedanken um die Praxisorganisation machen.
Erleben Sie auch Maskengegner in Ihrer Praxis?
Zieriacks: Im Gegenteil, ich finde, dass die Eltern besorgt um ihre Kinder sind. Viele bringen sogar kleineren Kindern unter sechs Jahren bei, eine Maske zu tragen. Vielleicht ist es so, dass die Vernunft zunimmt, wenn man Kinder hat. Die Kinder kommen gut mit Masken zurecht, das sind Anpassungskünstler, stelle ich immer wieder fest.
Wann würden Sie vom Tragen einer Maske abraten?
Zieriacks: Bislang musste ich bei keinem Kind eine Bescheinigung ausstellen, dass es keine Maske tragen muss. Ich kann mir das in Situationen vorstellen, wo die Sauerstoffsättigung dauerhaft erniedrigt ist, aber bei Kindern mit Asthma zum Beispiel sollte das Asthma ja so eingestellt sein, dass die Kinder auch Sport treiben können, und dann können sie auch eine Maske tragen. Ich glaube, dass das ärztliche Gebot, keine Maske zu tragen, ein absoluter Ausnahmefall ist.
Für wie wichtig halten Sie es, Vorsorgeuntersuchungen auch während eines Lockdowns fortzuführen?
Zieriacks: Im Lockdown im Frühjahr gab es die Empfehlungen vom Berufsverband, wonach Vorsorgen für die älteren Kinder verschoben und bei Kindern bis zu einem Jahr durchgeführt werden sollten. Ich empfand dies als willkürlich. In unserer Praxis gibt es keine Patientenkontakte untereinander und das Praxisteam ist vor Ansteckungen geschützt - daher haben wir uns bemüht, die Vorsorgen soweit möglich durchzuführen. Trotzdem sind natürlich von Seiten der Eltern viele Vorsorgen abgesagt worden, aus Angst in die Praxis zu gehen. Aber ich glaube, dass die Vorsorgen ein wichtiges Instrument sind, um die Kindergesundheit zu erhalten.
Wie übersteht man als Familie einen Lockdown?
Zieriacks: Für die Familienorganisation ist eine feste Zeitstruktur sehr wichtig. Kinder sind ja Gewohnheitsmenschen und viele Dinge fallen leichter, wenn man genau weiß, welches Ritual auf ein anderes folgt. Wichtig ist auch, zu versuchen, dass die Kinder sich möglichst draußen austoben können und Gelegenheit haben, sich abzureagieren.
Was raten Sie Ihren ärztlichen Kollegen, um gut durch die Pandemie zu kommen?
Zieriacks: Wichtig ist die gegenseitige Vernetzung, dass man sich austauscht. Und dass man versucht, seine eigene psychische Gesundheit zu bewahren. Es ist wichtig, dass man neben der Praxis noch andere Interessen hat, bei denen man nicht gerade an Pandemie und Corona denkt.
Frau Dr. Zieriacks, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dr. Lamia Özgör.
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Özgör, L. "Sich informiert fühlen und sich auszutauschen, ist ganz, ganz wichtig!". Pädiatrie 32, 56–57 (2020). https://doi.org/10.1007/s15014-020-2465-z
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