Ärzte sind mehr als wandelnde Rezeptblöcke. Auch ihre Anwesenheit kann bereits für Patienten oder deren Angehörige therapeutisch wirken. Zwei Beispiele, die zeigen, dass die richtige Kommunikation ebenso wichtig wie pharmakologisches Wissen sein kann.

Mutter wünscht Beruhigungsmittel für schreienden Säugling

Ein acht Monate alter normothermer weiblicher Säugling in gutem Allgemein- und Ernährungszustand, mit rosiger Haut, unauffälliger Mikrozirkulation und kardiopulmonaler Situation, weichem Abdomen und regelrechten Darmgeräuschen, ohne pathologischen Hals-, Nasen- und Ohrenbefund wird gegen 23:55 Uhr in der Kinderklinik vorgestellt. Das Mädchen weine seit sechs Stunden fast ununterbrochen. Die Familie sei soeben aus ihrem ehemaligen Heimatland erst per Flugzeug und dann noch einige Stunden im Auto nach Koblenz gereist, um hier ein neues Leben anzufangen.

Die 20-jährige, über nur mäßige Deutschkenntnisse verfügende Mutter wirkt verunsichert und glaubt, dass ihr Kind möglicherweise akut erkrankt sei. Sie wünscht die Ausstellung eines Rezepts für ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel. Während der Dienstarzt das propere, gut 9 kg schwere Kind untersucht, schläft es ein. Er berät die Mutter ausführlich mit einfachen Worten und nimmt ihr die Angst. Ein Rezept stellt er nicht aus, die Diagnose im Bericht lautet "gesundes Kind". Schließlich verlassen Mutter und ein mittlerweile tief schlafendes Kind die Klinik - und kommen auch in dieser Nacht nicht mehr zurück.

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Ein empathischer Arzt kann manchmal auch die Pharmazie ersetzen.

Es handelt sich um ein gutes Beispiel für die physiologische Reaktion auf die Umstände einer langen Reise und die Unsicherheit junger Eltern im Umgang mit ihrem Säugling. In diesen Fällen ist nicht in erster Linie Pharmazie, sondern vor allem die fast allzeit verständnisvolle, untersuchungs- und kommunikationserfahrene "Droge" Arzt gefordert.

Eltern bei ihrem Kind in kritischem Zustand

Ein 6-jähriger Junge mit akuter Leukämie entwickelt eine Sepsis mit gramnegativem Erreger. Bedingt durch die Chemotherapie befindet er sich in Panzytopenie, die Leukozyten liegen bei 0/nl. Erythrozyten und Thrombozyten werden in engen Abständen transfundiert. Zur Keimsanierung wird der implantierte getunnelte Broviac-Katheter in Vollnarkose entfernt.

Bei respiratorischer Insuffizienz und Schockzeichen mit einer auf 5 Sekunden verlängerten Kapillarfüllungszeit und Blutdrücken von minimal 84/25 mmHg wird der Junge postoperativ auf der Kinderintensivstation weiterbehandelt. Er bedarf einer High-Flow-Kanüle mit einer Sauerstofffraktion von 1,0 bei einer Flussrate von 25 l/Minute. Neben Volumenboli (insgesamt 40 ml/kg) wird bei warmer Peripherie ein Noradrenalin-Dauertropf etabliert. Zuvor wird ein ZVK in die Vena subclavia eingelegt. Die Eltern sind nach der radiologischen Lagekontrolle während der ZVK-Befestigung wieder im Patientenzimmer mit Abstand zum Patienten anwesend und können den Vorgang verfolgen. Im Anschluss findet ein längeres Gespräch zwischen Eltern und Arzt statt.

Seit der Diagnose hat sich das Leben der Familie völlig verändert. Die Begleitung von Diagnostik und Therapie ihres Sohnes sind enorm belastend. Besonders wichtig ist den Eltern, zu betonen, dass der persönliche Kontakt und die Transparenz des Vorgehens wie jetzt im Rahmen der unerwarteten septischen Erkrankung ihres Sohnes sie bei allen Sorgen und Ängsten mit einem Gefühl des Angenommenseins und Verstanden-werdens erfüllt. Sie sind Fürsprecher und Interessenvertreter ihres Kindes - bedürfen aber in dieser Funktion der eigenen Stärkung und der Gewissheit, ernstgenommen zu werden. Wann immer möglich wollen sie teilhaben, wenn etwas mit ihrem Sohn passiert - natürlich ohne zu stören oder zu behindern.

Damit so etwas gelingt, bedarf es einer gewissen Bereitschaft und Erfahrung aufseiten des Behandlungsteams und es geht keineswegs mit allen Eltern kranker Kinder. Die wache Einschätzung der Angehörigen und der Situation im Vorfeld und ganz besonders das Wissen um die eigenen Fähigkeiten, Belastbarkeit und Grenzen sind unbedingte Voraussetzung. Wenn es jedoch so wie in diesem Fall gut gelingt, kann Transparenz zur positiven "Droge" für Eltern und Team werden.