Der Fall eines dreijährigen Mädchens mit Purpura fulminans zeigt, wie dramatisch eine invasive Streptokokken-A-Infektion verlaufen kann, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt wird. Wichtig ist in solchen Fällen auch die Prophylaxe bei engen Kontaktpersonen!

Ein dreijähriges Mädchen wird am Morgen mit Fieber und Erbrechen beim Kinderarzt vorgestellt. Dieser diagnostiziert bei der kleinen Patientin, die mit einer Trisomie 21 zur Welt kam, eine Otitis media und verschreibt Cefpodoxim. Noch am selben Nachmittag stehen die besorgten Eltern mit dem Mädchen in der Notaufnahme: Sein Allgemeinzustand habe sich innerhalb von Stunden rapide verschlechtert. Die Kapillarfüllungszeit ist bei der Untersuchung in der Klinik deutlich verlängert und es zeigen sich petechiale Blutungen. Im Folgenden entwickelt sich eine rasch progrediente Purpura fulminans, an der das Mädchen schließlich verstirbt. Wie Professor Reinhard Berner vom Universitätsklinikum Dresden ausführte, waren seit dem Erstkontakt beim Hausarzt nicht einmal 25 Stunden vergangen.

Meningokokken stehen als Erreger im Verdacht

Die brennende Frage, um welchen Erreger es sich gehandelt hatte, ließ sich zunächst nicht klären; eine zwischenzeitlich abgenommene Blutkultur war steril geblieben. Aufgrund des klinischen Verlaufs schien den Klinikärzten jedoch eine invasive Meningokokkeninfektion am wahrscheinlichsten. Dieser Verdacht wurde auch dem Gesundheitsamt gemeldet.

Für die Familie des Mädchens, so Berner weiter, war die Geschichte hier jedoch noch nicht zu Ende: Das verstorbene Mädchen hatte einen Bruder, und auch bei diesem sollte sich kurze Zeit später eine äußerst kritische Situation entwickeln.

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© monkeybusinessimages / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Die Inzidenz invasiver GAS-Infektionen liegt in Deutschland mittlerweile über der von Pneumokokken.

Bruder erkrankt trotz Prophylaxe

Nach dem Tod seiner Schwester hatte das Gesundheitsamt, den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts folgend, eine Umgebungsprophylaxe angeordnet. Der Junge erhielt also, ausgehend von einer Meningokokkeninfektion bei der Schwester, prophylaktisch Rifampicin. Diese Maßnahme konnte jedoch offenbar nicht verhindern, dass der eigentliche Übeltäter auch in die Blutbahn des Jungen gelangte.

Nach fünf Tagen musste die Familie auch ihr zweites Kind mit hohem Fieber in die Notaufnahme bringen. Ohne das Ergebnis der Blutkultur abzuwarten, wurde sofort mit einer antibiotischen Therapie begonnen. Diesmal gelang es jedoch, den Erreger dingfest zu machen: Es handelte sich um invasive Streptokokken der Gruppe A (GAS). Die Tatsache, dass sich trotz antibiotischer Prophylaxe und, wie die Eltern bestätigten, regelmäßiger Einnahme der Medikation, eine invasive Infektion entwickeln konnte, so Berner, "hat uns ein bisschen erschüttert."

Frage nach dem richtigen Medikament "im Grunde offen"

Derzeit lautet die Empfehlung, die Prophylaxe mit Rifampicin durchzuführen, solange der ursächliche Erreger nicht bekannt ist. Die Frage nach dem richtigen Medikament bei invasiven Gruppe-A-Streptokokken ist nach Berner jedoch "eigentlich noch offen." Neben Rifampicin kommen dem Experten zufolge auch eine Kombination aus Penicillin und Clindamycin, eine Monotherapie mit Clindamycin oder Cefadroxil infrage.

Wie der Infektiologe betonte, habe die Inzidenz der invasiven GAS-Infektionen bei Kindern in den letzten Jahren zugenommen; diese liege in Deutschland bereits über der Inzidenz von invasiven Pneumokokken. Denken sollte man daran auch in Fällen, "die phänotypisch eigentlich anderen Erregern zugeordnet werden", zum Beispiel Epiglottitis, Mastoiditis, Pleuropneumonie/Pleuraempyem und eben auch bei einer Purpura fulminans. Berner hatte vor allem zwei Botschaften mitzugeben:

  1. 1.

    Die Purpura fulminans ist nicht erregerspezifisch.

  2. 2.

    Enge Haushaltskontakte von Patienten mit invasiven GAS-Infektionen sollten eine Expositionsprophylaxe erhalten (gilt nicht für Kindergarten- und Schulkontakte).

Wie wichtig Letzteres ist, zeigt eine Untersuchung aus Australien [Carapetis JR et al. Clin Infect Dis 2014;59:358-65]: Hier war die Wahrscheinlichkeit, nach engem Kontakt mit einem betroffenen Haushaltsmitglied ebenfalls an einer invasiven Infektion mit Gruppe-A-Streptokokken zu erkranken, um den Faktor 2.000 (!) erhöht.

Vortrag "Infektiologie", 13. Pädiatrie-Update-Seminar, Köln/online, 4. Juli 2020