Mit großen Augen verfolgen die vier Kinder des Malers Franz von Defregger — Franzl, Friedl, Hansl und Robert — gebannt „Die Geschichte vom heiligen Nikolaus“. Bei uns zuhause ist es „Nikolaus in Not“ von Felix Timmermanns (1886–1947), was ich unseren Kindern und Enkelkindern vor dem „Heiligen Abend“ jedes Jahr traditionell vorlese.

Immer wieder hat Defregger seine Kinder und viele andere in der bäuerlichen Welt abgebildet und schuf lebensvolle, fröhliche Bilder. Defreggers Gemälde „Die drei Kleinsten“ (1892), das Franzl, Friedl und Hansl mit Pinsel und Leinwand auf den Spuren des Vaters zeigt, hat Defregger seiner Frau zu Weihnachten geschenkt. Seinen ersten Sohn Robert porträtierte er bereits im Alter von vier Tagen. Auf dem Kinderbildnis seiner Tochter „Emma“ (1885) ahnt man nicht, dass sie bald an einer Blutkrankheit sterben würde. Und immer wieder tauchen auch Kinder auf seinen großen historischen Tiroler-Freiheits-Gemälden auf — wie auf seinem berühmten Werk „Die Heimkehr der Sieger“ (1876). Mit seinem Bild des erst dreijährigen Prinzen Ludwig Wilhelm von Bayern trat Defregger erstmals als Porträtmaler hervor.

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Franz Defregger „Die Geschichte vom heiligen Nikolaus“

Vom Bergbauer zum Maler

Franz Defregger wuchs hoch am Berg im Tiroler Pustertal auf einem Bauernhof auf, den er mit 23 Jahren nach dem frühen Tod seines Vaters erbte.

Eigentlich wollte er wie viele der Dorfbewohner nach Amerika auswandern und verkaufte das Anwesen. Doch er änderte seine Pläne und ging nach Innsbruck, um Bildschnitzer zu werden. Dort entdeckte man sein zeichnerisches und malerisches Talent, das ihn im Jahr 1860 nach München zu einem berühmten Historienmaler führte. Nach einem Jahr in der Kunstgewerbeschule besuchte er die Kunstakademie, um dann 1863 autodidaktisch über zwei Jahre die Malerei der „Schule von Barbizon“ und die holländischen Alten Meister in Paris kennenzulernen.

1865 wurde er in München in die „Komponierklasse“ des berühmten Historienmalers Karl von Piloty (1826–1886) aufgenommen. Im Gegensatz zu Piloty und anderen Historienmalern schuf Defregger jedoch keine inszenierten Gesellschaftsbilder, sondern Alltagsszenen. Er malte die Bauern seiner Heimat einfach so, wie er sie alltäglich sah — mit all ihrer Freude, aber auch mit ihrer Eifersucht und ihrem Zorn. Dadurch scheinen die Menschen auf seinen Gemälden zum Leben zu erwachen. Er drückte in diesen atmosphärischen Bildern somit Gefühle aus, die man nachempfinden konnte und wurde damit zu einem populären Genremaler der Münchner Schule und erreichte internationalen Ruhm.

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Franz Defregger „Die drei Kleinsten“ (1892)

Erhebung in den Adelsstand

1872 heiratete er die 20 Jahre jüngere Anna in Bozen und zog nach München. Hier wurde er im Jahr 1887 von König Ludwig II. zum Professor für Historienmalerei an der Münchner Kunstakademie ernannt. Sein Privathaus in München, das „Defregger-Haus“ am Englischen Garten, und seine „Villa Defregger“ in Bozen wurden zu Treffpunkten der Künstlerszene. Doch als er 1921 im Alter von 86 Jahren verstarb, war sein Ruhm bereits verblasst.