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Frage: Bei gesicherter Kuhmilchallergie (KMA) ist die Elimination von Kuhmilchprotein aus der Ernährung notwendig. Was ist bei gestillten Babys zu beachten und was ist besser für nicht gestillte Babys, extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung oder Aminosäurenformula?

Expertenantwort: Kuhmilchallergie ist eine der häufigsten Nahrungsmittelallergien bei Babys- und Kleinkindern. Das Immunsystem reagiert dabei auf das fremde Protein aus der Kuhmilch. Die Symptome können sehr unterschiedlich und wenig spezifisch sein. Sie können sowohl die Haut, den Gastro-Intestinaltrakt als auch die Atemwege betreffen. Vollgestillte Säuglinge entwickeln nur selten eine KMA. Ist das trotzdem der Fall, sollte die Mutter weiter stillen, dabei aber Milch und Milchprodukte aus ihrer Ernährung ausschließen. Um Nährstoffmängel der Mutter zu vermeiden, ist eine Ernährungsberatung und gegebenenfalls die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, insbesondere Kalzium, sinnvoll [1].

Nicht gestillte Säuglinge benötigen eine Ersatznahrung für normale Säuglingsmilch. Welche Nahrung gewählt wird, ist individuell zu entscheiden. Bei guter Verträglichkeit sollte die Nahrung verwendet werden, die einer normalen Säuglingsmilch am ähnlichsten ist. Erste Wahl ist eine extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung (eHF) [1, 2]. Aminosäurenformulas (AAF) sollten Säuglingen vorbehalten werden, die eHF nicht tolerieren, was weniger als 10 % aller Säuglinge mit KMA betrifft [2]. Bei schweren anaphylaktischen Reaktionen und schwerer Enteropathie ist allerdings eine AAF als erste Wahl in Betracht zu ziehen [1, 2].

Jede eHF sollte in klinischen Studien geprüft werden und belegen, dass sie von > 90 % der Säuglinge mit KMA vertragen wird.

Generell sind eHF mit Laktose eHF ohne Laktose vorzuziehen, es sei denn es besteht eine gastrointestinale Manifestation mit transitorischer Laktoseintoleranz [3]. Laktose ist mit circa 70 g/l größter fester Bestandteil der Muttermilch. Laktose-freie Spezialnahrungen haben bei Säuglingen mit KMA nachteilige Wirkungen auf die Darmmikrobiota [3, 4]. So wurden bei Säuglingen mit KMA, die mit eHF mit Laktose ernährt worden waren mehr Bifidobakterien und Lactobazillen sowie höhere Konzentrationen kurzkettiger Fettsäuren („short-chain fatty acids“, SCFA) im Stuhl gefunden als im Stuhl von Säuglingen, die mit Laktose-freier eHF ernährt wurden [4]. SCFA regen im Körper die Produktion regulatorischer T-Zellen an, die Immuntoleranz fördern [4, 5]. Außerdem schmecken eHF mit Laktose besser als eHF ohne Laktose.

Sojamilch kann für Säuglinge unter 12 Monaten nicht empfohlen werden [1], auch wenn etwa 80–90 % der Babys mit KMA insbesondere im Alter > 6 Monaten sie tolerieren [2]. In Deutschland wird der Einsatz von Sojamilch im ersten Lebensjahr auch aufgrund des Gehalts an Phytoöstrogenen, Phytat und Aluminium kritisch gesehen [1].

Partiell hydrolysierte Säuglingsnahrungen sowie Schafs- oder Ziegenmilch sind zur diätetischen Behandlung von KMA nicht geeignet.

Kuhmilchprotein-freie Diät sollte nicht länger als notwendig erfolgen. Bei Säuglingen sollte in der Regel frühestens nach 6 Monaten mit einem Provokationstest geprüft werden, ob Kuhmilchprotein wieder toleriert wird [2]. Bei Säuglingen und Kleinkindern mit schwerer Anaphylaxie muss individuell in Abhängigkeit von einer allergologischen Re-Evaluation (z. B. molekulare IgE-Diagnostik) entschieden werden, ob und wann eine Re-Provokation erfolgen kann. Mit Ausnahme der schweren Anaphylaxie entwickeln 50 % der Kinder mit KMA eine Toleranz bis zum Alter von 1 Jahr und über 90 % bis zum Alter von 6 Jahren [2]. Mit dieser Perspektive lassen sich die Symptome der Krankheit und Einschränkungen während der Therapie für Eltern und Kind leichter bewältigen.