_ Die 4. Auflage der Wechsler Preschool and Primary Scale of Intelligence (WPPSI-IV) liegt jetzt in deutscher Übersetzung vor. Sie ist als umfassendes Einzeltestverfahren zur Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten von Kindern im Alter von 2,6–7,7 Jahren konzipiert. Die Testdauer wird mit 20–30 Minuten angegeben. Die Neunormierung wurde von den Herausgebern um Franz Petermann an 895 Kindern aus Deutschland, von denen 30 % Migrationshintergrund hatten, durchgeführt.

Um die kognitiven Fähigkeiten eines Kindes darzustellen, können verschiedene primäre Indexwerte analog zum HAWIK IV interpretiert werden:

  • Sprachverständnis,

  • visuell-räumliche Verarbeitung,

  • fluides Schlussfolgern,

  • Arbeitsgedächtnis und

  • Verarbeitungsgeschwindigkeit.

Die Entwicklung der WPPSI-IV basiert auf der Annahme, dass Intelligenz einerseits ein globales Konstrukt darstellt, weil sie das Verhalten des Individuums als Ganzes bestimmt, und dass sie andererseits als spezifisch dargestellt werden kann, weil Intelligenz aus Faktoren zusammengesetzt ist, die voneinander unterscheidbar sind. Die neueren Versionen der Wechsler-Intelligenztests erfassen noch stärker abgegrenzte Teilbereiche der kognitiven Funktionen, wie visuell räumliche Fähigkeiten, fluides Denken, Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit, und bestimmen zudem weiterhin die globale Intelligenz in zuverlässiger Weise.

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WPPSI-IV

Wechsler Preschool and Primary Scale of Intelligence

4. Auflage

Pearson Deutschland

1.100 €

Bei der jetzt vorliegenden 4. Auflage wurden die Inhalte der 15 Untertests aktualisiert und die Durchführung ebenso wie die Auswertung modifiziert. Als neue Tests hinzugekommen sind: Bilder wiedererkennen, Tiere platzieren, Insekten suchen, Objekte markieren sowie der Tier-Symboltest. Mit diesen Tests soll vor allem das visuelle Arbeitsgedächtnis sowie die Verarbeitungsgeschwindigkeit erfasst werden.

Die Durchführung von Intelligenztests bei jungen Kindern stellen Testanwender vor besondere Herausforderungen: Sowohl die Charaktermerkmale eines Kindes als auch die der Testanwender sowie der Test selbst können die Aussagekraft eines Testergebnisses, also die Validität, beeinflussen. Dieser Herausforderung wird der WPPSI-IV jedoch gerecht, indem er ansprechendes Testmaterial bietet und auch Pausen gestattet sind.

Wie auch bei den Wechsler-Intelligenztests für Schulkinder und Erwachsene ermöglicht die Auswertung des WPPSI-IV die Beurteilung, ob eine Lernbehinderung beziehungsweise eine Intelligenzminderung vorliegt. Die Analyse der Untertests und Diskrepanzvergleiche der Indexwerte können sowohl für Diagnostik als auch für eine individuelle Förderung hilfreich sein. So weisen etwa deutliche Diskrepanzen zwischen dem allgemeinen Fähigkeitsindex und dem kognitiven Leistungsindex auf traumatische Hirnschädigungen oder auf eine ADHS hin.

Bewertung: Eine Aktualisierung der 3.Auflage aus dem Jahr 2007 wurde schon lange erwartet. Sie wurde erforderlich, um die Aufgaben an kulturelle und technologische Entwicklungen anzupassen sowie gesellschaftlichen und klinisch relevanten Aspekten zu entsprechen. Positiv anzumerken ist der Anteil der Migranten von 30 % bei der Normierung, damit besteht nun auch die Möglichkeit, Patienten mit Migrationshintergrund adäquater beurteilen zu können. Die detaillierte und ausgedehnte Einschätzung des Arbeitsgedächtnis und der Verarbeitungsgeschwindigkeit ist vor dem Hintergrund wichtig, dass zunehmend auch schon Vorschulkinder mit der Frage einer möglichen ADHS in den Praxen vorgestellt werden. Auch wenn der Test nicht die Diagnose stellt, sondern nur einen Baustein dazu liefert, so verhilft er dennoch zu einer größeren Sicherheit bei der Diagnostik.

Die Testmaterialien sind ansprechend. Die in unserer Praxis mit dem Test untersuchten Kinder arbeiteten hochmotiviert mit. Die Testauswertung ist für die mit dem HAWIK IV vertrauten Anwender leicht durchführbar. Im Vergleich zum vorherigen Test, dem WPPSI-III, wurde in der aktuellen Version der Altersbereich erweitert und gilt jetzt von 2,6–7,7 Jahren. Damit ist er vor allem für die Vorschulkinder und die Erstklässler, die in dem HAWIK IV oft schwer bewertbar waren, gut einsetzbar. Die Testdauer haben wir bisher immer überschritten, sie stellt gerade für die jüngeren Kinder eine Herausforderung dar, ist aber mithilfe von kurzen Pausen zu bewältigen.

Trotz der Kosten ist die Anschaffung des Tests für alle Kollegen, die Kinder mit Verhaltens- und Lernproblemen betreuen, unbedingt zu empfehlen.