Psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen haben in den vergangenen 10 Jahren bei der ärztlichen Versorgung an Bedeutung gewonnen. Nach Abrechnungsdaten, die das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) auswertete, erhielten im vergangenen Jahr 14,5 Millionen Patienten unter 18 Jahren eine F-Diagnose. Etwa 40 % entfielen davon auf Entwicklungsstörungen.

Nach der Auswertung der Abrechnungsdaten aus der vertragsärztlichen Versorgung der Jahre 2009–2017 erhält jedes vierte Kind oder Jugendliche (3,2 Millionen) mindestens in einem Quartal eine F-Diagnose. Jeder Sechste bekommt in zwei Quartalen eine solche Diagnose gestellt. Insgesamt, sagte Dr. Annika Steffen vom ZI, sei bei der Diagnoseprävalenz seit 2014 jedoch eine Stabilisierung eingetreten.

Bei ADHS geht der Trend leicht nach oben, die Diagnoseprävalenz lag 2016 bei 4,3 %, 2009 waren es im Schnitt noch 4,1 %. Die Unterschiede zwischen den Regionen sind nach wie vor aber sehr hoch, die Prävalenzen variieren hier zwischen 1,6 und fast 10 %. Besonders im Würzburger Raum gibt es einen ADHS-Cluster, berichtete Dr. Manas Akmatov vom ZI. Ebenso hat sich in Ost-Niedersachsen ein Schwerpunkt herausgebildet. Überdiagnosen bestehen dort, wo viele Kinder- und Jugendpsychiater niedergelassen sind, sagte Akmatov.

Nach einer weiteren Studie, die Ann-Katrin Meyrose vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, vorstellte, leiden etwa 17 % der Kinder und Jugendlichen unter psychischen Auffälligkeiten. Zwei Drittel „sind in der Fachversorgung angekommen“, sagte Meyrose. Vom übrigen Drittel würden aber immerhin rund 87 % von Allgemein- sowie Kinder- und Jugendärzten behandelt. Meyrose betonte, dass das Augenmerk künftig darauf gerichtet werden müsse, die jungen Patienten an Fachärzte weiterzuleiten. Das würde Pädiater und Hausärzte entlasten.

Die BELLA-Studie (Befragung zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten), eine ergänzende Untersuchung zur KIGGS-Studie, ergab zudem, dass Eltern, die selber belastet oder psychisch auffällig sind, mit ihren Kindern häufiger zum Arzt gehen, als Eltern ohne solche Probleme. Gibt es in der Familie jedoch einen großen Zusammenhalt, vor allem unter den Erwachsenen, landen die auffälligen Kinder weniger häufig in der Versorgung.