Wahrscheinlich hatte die 2-Jährige, am 20. September 1834 geborene Prinzessin Marie Franziska von Liechtenstein die Porzellanpuppe zu Weihnachten bekommen. Auf dem Gemälde von Friedrich Ritter von Amerling hält sie diese im Arm, während sie glücklich lächelnd schläft. Weich fällt das Licht über die Locken und die geröteten Wangen. Ihr Vater, Fürst Alois von Liechtenstein, hatte den Künstler beauftragt, auch die beiden weiteren Töchter Karoline (1937) und Sophie (1838) sowie den Erbprinzen Johann (1845) zu porträtieren. Das Bildnis von Marie Franziska ist jedoch das schönste und bekannteste aus der Reihe geworden. Es ist im Liechtenstein Museum zu sehen, das aus den Kunstsammlungen der Fürsten von und zu Liechtenstein entstand. Sie hatten im 17. Jahrhundert ihre Anfänge und zählen heute zu einer der bedeutendsten Privatsammlungen der Welt.

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Friedrich Ritter von Amerling „Porträt der Prinzessin Marie Franziska von Liechtenstein im Alter von zwei Jahren“ (1836)

Ausgeprägte Beobachtungsgabe

Der Maler Amerling wurde 1803 im österreichischen Spittelberg geboren. Er ist neben dem „Kindermaler“ Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865) einer der angesehensten österreichischen Porträtmaler des 19. Jahrhunderts. Nach dem Besuch einer Graveurschule begann der junge Amerling schon mit 12 Jahren ab 1815 an der Akademie der bildenden Künste in Wien zu studieren. 1824 wechselte er an die Akademie nach Prag. In London entdeckte er 1827/28 die Porträtmalerei. Reisen führten ihn unter anderem nach Paris. 1828 wurde er in Wien sesshaft und bekam dort reichlich Aufträge. Aber immer wieder zog es ihn zu ausgedehnten Studienreisen nach Italien und Holland, ja sogar bis nach Ägypten und Palästina.

Amerling schuf über tausend Gemälde, vor allem Porträts. Insbesondere während der Biedermeierzeit zwischen 1830 und 1850 erhielt er vom Großbürgertum und Adel Aufträge. Seine Damenporträts waren besonders beliebt. Porträts von Kaiser Franz und Erzbischof Erzherzog Rudolf begründeten seinen Ruf als bevorzugter Porträtist der Wiener Gesellschaft. Aber auch seine Familie, wie sein jüngster Bruder Andreas, wurden von ihm gemalt (Abb. oben).

Amerling hatte eine ausgeprägte Beobachtungsgabe. Eine besondere Farbigkeit kennzeichnen seine Werke, die sich in österreichischen Sammlungen und Museen wie dem Liechtenstein-Museum in Wien befinden.

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Friedrich Ritter von Amerling „Andreas Amerling“ (1829)

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Vier Ehen und ein Ritterstand

Im Jahr 1832 heiratete Amerling das erste Mal, ließ sich aber 1843 wieder scheiden. Von seiner zweiten Frau trennte er sich 1845 bereits nach einem Jahr. 1857 heiratete er erneut, seine dritte Frau verstarb jedoch 1880. Ein Jahr später ging er seine vierte Ehe ein. Als bedeutende Persönlichkeit hatte er Kontakt zu den damals bekanntesten Künstlern in Wien — unter anderem zu dem Komponisten und Pianisten Franz Liszt (1811–1886) —, die in seinem „Amerlingschlößl“ genannten Haus ein- und ausgingen. Sein Privatwohnsitz wurde zur Sehenswürdigkeit. 1878 wurde er in den Ritterstand erhoben. Nach seinem Tod im Jahr 1887 erhielt er ein Ehrengrab auf dem berühmten Wiener Zentralfriedhof. Seinen wertvollen Nachlass verwaltete seine letzte Frau bis zu ihrem Tod 1914. Danach wurde ein Großteil seiner Werke versteigert.