_ Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist gekennzeichnet durch einen Funktionsverlust oder Defekt des Gens SMN1, das für die Produktion des SMN-Proteins (Survival of Motor Neuron) verantwortlich ist. Dadurch kommt es zu einem Verlust von Motoneuronen im Rückenmark und infolgedessen zu einer schweren und progredienten Atrophie und Schwäche der Muskulatur. Prof. Dr. Wolfgang Müller-Felber vom Dr. von Haunerschen Kinderspital in München schilderte den klassischen Fall eines Säuglings mit SMA: Bei dem betroffenen Patienten ist kaum eine Motorik der Beine zu beobachten. Ein glockenförmiger Thorax weist darauf hin, dass der Säugling schon lange nur mit dem Zwerchfell atmet und die gesamte Interkostalmuskulatur deutlich kachektisch ist. Trotzdem macht das Kind einen sehr wachen Eindruck und schaut interessiert in der Gegend herum. Unter Umständen entwickelt sich schon recht bald eine Schluckstörung.

Der neue Wirkstoff Nusinersen (Spinraza®) von Biogen macht die 5q-assoziierte spinale Muskelatrophie erstmals gezielt behandelbar. Nusinersen greift in zelluläre Prozesse am SMN2-Gen ein. Dieses ist SMN1 sehr ähnlich — bis auf ein Nukleotid, das eine Veränderung im Splicing bewirkt. Der Mensch besitzt zwischen 0 und 8 Kopien dieses SMN2-Gens. Da jede dieser Kopien zirka 10 % funktionales Protein bildet, stellt die Kopienzahl einen wichtigen Prädiktor für den klinischen SMA-Schweregrad dar. Durch den Einsatz von Nusinersen kann die Produktion von vollständigem und funktionsfähigem SMN-Protein erhöht werden, wodurch das Überleben der Motoneuronen im Rückenmark sichergestellt wird. Eine qualifizierte symptomatische Therapie ist laut Müller-Felber aber auch weiterhin unbedingt notwendig.