Um muslimische Patienten beim Sterbeprozess begleiten zu können, sollten Ärzte die religiösen Riten rund um den Tod kennen. Denn nicht nur der Tod, sondern auch der Umgang mit Krankheit und Leid ist bei vielen Muslimen religiös geprägt. Im Islam ist das Leben auf der Erde ein Ort der Prüfungen, wie etwa durch Krankheit oder Behinderung. „Diese Prüfungen werden jedoch nicht als Strafe oder Ausdruck des göttlichen Zorns gedeutet, sondern als Geduldsprobe und Gelegenheit für Gnadenerweis und Sündenvergebung“, erklärte Prof. Dr. Fuad Aksu von der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln.

Zentrale Glaubenspfeiler im Islam sind der Glaube an das Jenseits, die Auferstehung nach dem Tod und das Jüngste Gericht. Unter muslimischen Patienten wird deshalb auch häufig die Einleitung von Reanimationsmaßnahmen abgelehnt. Denn laut dem Glauben der Muslime unterliegt das Sterben Gott. „Allah gibt und nimmt wieder zurück. Kein Mensch hat das Recht, ein Leben selbst zu beenden“, sagte Aksu. Bei schwierigen Problemen empfiehlt er, einen Imam heranzuziehen.

Die Gläubigen im Islam haben nicht die Gelegenheit wie in der katholischen Kirche, zur Beichte zu gehen. Eine Möglichkeit, sich von ihren Sünden reinzuwaschen, besteht jedoch darin, sich um ihre kranken Kinder zu kümmern. Andernfalls — so die Überzeugung — werden sie vor dem Jüngsten Gericht zur Rechenschaft gezogen. Kinder vor der Pubertät gelten dagegen als Engel. Sie müssen keine Prüfung vor dem Jüngsten Gericht bestehen, sondern kommen automatisch ins Paradies.

Am Sterbebett eines Muslim oder einer Muslima beten der Patient oder seine Familie das Glaubensbekenntnis (Shahada) des Islam und die Sure 36 in arabischer Sprache. Kann der Sterbende selbst nicht mehr beten, werden ihm die Verse ins Ohr geflüstert. Eines der wichtigsten islamischen Rituale ist das Aussprechen des Glaubenssatzes vor dem Sterben: „Ich bekenne, dass es keinen Schöpfer außer Allah gibt und ebenso bekenne ich, dass Mohammed Diener und Gesandter Allahs ist.“ Dieser Satz wird von vielen Muslimen regelmäßig — nicht nur vor dem Tod — gesprochen. Aksu selbst erklärte, dass er den Satz jeden Abend vor dem Einschlafen aufsage. „Da ich ja nicht weiß, ob ich in der Nacht eventuell sterbe. Dann habe ich den Satz schon mal ausgesprochen.“

Die rituelle Waschung ist eine zentrale Pflicht der Hinterbliebenen. Die Toten müssen von einer gleichgeschlechtlichen Person gewaschen werden. Ist kein Familienmitglied des gleichen Geschlechts zur Hand, kann auch eine Geistliche oder ein Geistlicher aushelfen, die sich mit den Ritualen auskennen. Anschließend wird der Leichnam mit einem einfachen weißen Tuch, Kefen genannt, umwickelt. Aksu berichtete, dass viele ältere Muslime auf Reisen ein Leichentuch im Gepäck haben, damit im Falle ihres Todes der Beerdigungsprozess schnell ablaufen kann.

Der Leichnam wird grundsätzlich ohne Sarg beerdigt, einfache Särge dienen nur dem Transport der Leiche. „Die Beerdigung sollte so schnell wie möglich erfolgen, damit man schnell vor Gott stehen kann“, erklärte Aksu. Es wird als Aufgabe der Familie gesehen, die erforderlichen Rituale durchzuführen. Aksu sagte, dass er seine toten Angehörigen immer selbst in ihr Grab gehoben habe. Dazu meinte er abschließend: „Man ist dann hinterher erleichtert.“