_ Etwa 30 % der Patienten mit schwerer Hämophilie A entwickeln neutralisierende Antikörper gegen den substituierten Faktor VIII (FVIII). Diese müssen mit Medikamenten behandelt werden, die diesen Weg in der Gerinnungskaskade umgehen. Diese sogenannten Bypass-Medikamente, aktivierter Prothrombin-Komplex (aPCC) und/oder aktivierter Faktor VII, sind eine aufwendige und nicht hundertprozentig wirksame Behandlung.

Ein neues Molekül könnte nun für diese schwer betroffenen Patienten eine deutlich einfachere und effektivere Behandlungsoption werden. Emicizumab ist ein rekombinant hergestellter, bispezifischer Antikörper, der an Faktor IX und Faktor X bindet. Damit übernimmt er die Funktion von Faktor VIII als Kofaktor in der Gerinnungskaskade, ohne dass die Struktur homolog mit Faktor VIII ist und ohne dass vorhandene neutralisierende Antikörper Emicizumab erkennen. Zudem muss der neue Wirkstoff nur einmal wöchentlich subkutan injiziert werden.

In der Phase-III-Studie HAVEN 1 war es auf diese Weise gelungen, bei Jugendlichen und Erwachsenen mit Hämophilie und Inhibitoren gegen Faktor VIII die Blutungsrate signifikant zu senken, verglichen mit der intravenösen Bedarfstherapie mit Bypass-Medikamenten [Oldenburg J et al. N Engl J Med 2017; July 10]. Insgesamt waren 109 Patienten in die offene Studie aufgenommen worden. Jene, die episodisch Bypass-Medikamente erhalten hatten, waren 2 : 1 in die Emicizumab-Gruppe (Gruppe A) oder eine Gruppe B ohne Prophylaxe randomisiert worden.

In Gruppe A betrug die jährliche Rate behandlungsbedürftiger Blutungen durchschnittlich 2,9, in Gruppe B dagegen 23,3. Dies entspricht einer signifikanten Reduktion therapiebedürftiger Blutungen um 87 % (p < 0,001). 22 Teilnehmer in Gruppe A (63 %) hatten überhaupt keine Blutungen, in Gruppe B war es ein Teilnehmer (6 %). Das Medikament wurde gut vertragen. Am häufigsten kam es zu Reaktionen an der Injektionsstelle, bei zwei Teilnehmern zu einer thrombotischen Mikroangiopathie und Thrombose. Zu beachten seien mögliche Interaktionen mit hochdosiertem aPCC, sagte Prof. Dr. Johannes Oldenburg vom Hämophilie-Zentrum der Universität Bonn und Erstautor der Studie.

Interimsdaten aus HAVEN 2 bei Hämophilie-A-Patienten im Alter von unter 12 Jahren bestätigen die Ergebnisse bei Erwachsenen. In zwei weiteren Teilstudien wird der bidirektionale Antikörper Emicizumab nun auch auch bei Patienten ohne Hemmkörper sowie in verschiedenen Dosisintervallen geprüft. Nach Meinung von Oldenburg zeichnet sich mit dem Medikament ein Paradigmenwechsel in der Therapie von Patienten mit Hämophilie A ab.