Longitudinalstudien, die lange Zeiträume und große Menschenzahlen einschließen, können zu überraschenden Assoziationen führen. Hierzu zählt die Avon Longitudinal Study of Parents and Children, kurz ALSPAC, die von Forschern aus Bristol im Hinblick auf Rauchen und Autismus ausgewertet wurde.
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Die Kinder von rund 14.000 schwangeren Frauen, die zwischen April 1991 und Dezember 1992 geboren wurden und langfristig überlebten, wurden nachverfolgt. Dabei kam heraus, dass bei knapp 70 % der Mädchen mit während der Schwangerschaft rauchenden Großmüttern — also die Großmütter rauchten damals, während sie schwanger mit den Müttern der später untersuchten Kinder waren — autistische Züge wie eingeschränkte soziale Kommunikation oder repetitive Verhaltensweisen zeigten. Bei mehr als der Hälfte (n = 170) der Enkeltöchter fand sich ein Asperger-Syndrom (Autismus-Spektrum-Störung).
Die Autoren der Studie folgerten, dass ein um 67 % erhöhtes Risiko für die Enkelinnen besteht, typische autistische Merkmale zu entwickeln, wenn die Großmütter mütterlicherseits während ihrer Schwangerschaft rauchten. Interessanterweise war das Rauchen von Großmüttern väterlicherseits bezüglich Autismus bei den Enkelkindern statistisch folgenlos. Ebenso war es ohne Einfluss, ob die Mutter der untersuchten Kinder während ihrer Schwangerschaft geraucht hat oder nicht. Von dem erhöhten Autismus-Risiko waren übrigens nur Enkeltöchter, nicht jedoch Enkelsöhne betroffen.
Kommentar
Vermutlich kommt es durch den Tabakrauch zu Mutationen in der mitochondrialen DNA, die ausschließlich mütterlich vererbt wird. Die Auswirkungen dieser Mutationen können erst in der zweiten Generation wirksam sein. Neben genetischen und epigenetischen, biochemischen, infektiösen, medikamentösen und hirnorganischen sind möglicherweise auch multifaktorielle und Umwelteinflüsse begünstigend für die Entwicklung autistischer Wesenszüge oder zumindest für die Ausgestaltung bestimmter komorbider Symptome verantwortlich. Hierzu könnten unter Vorbehalt zahlreiche schwierig zu erhebende Faktoren zählen wie Nutzung digitaler Medien, metabolische Langzeitfolgen durch Tätowierung, tägliche Autofahrzeiten, die Anwesenheit von Vätern während der Erziehung, Ernährungsgewohnheiten sowie schicksalhafte Ereignisse. Es ist naheliegend, dass die vorliegende Datenerhebung auf diese Fragen keine Antworten geben kann. Wir wissen heute noch wenig darüber.
Keinesfalls sollte aber an der Kernbotschaft gerüttelt werden: Rauchen ist in jeder Schwangerschaft weder eine gesundheitsbewusste noch eine verantwortungsvolle Handlung für das Leben und die Zukunft eigener und offensichtlich auch späterer Nachkommen. Übrigens auch eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber „Wehrlosen“.
Literatur
Golding J et al. Grand-maternal smoking in pregnancy and grandchild’s autistic traits and diagnosed autism. Sci Rep 2017;7:e46179
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Hoppen, T. Rauchende Großmütter erhöhen das Autismus-Risiko. Pädiatrie 29, 13 (2017). https://doi.org/10.1007/s15014-017-1084-9
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