Die Suche nach künstlerischer Erneuerung und Inspiration weckte in Paul Gauguin den Traum vom Leben in einer primitiven Kultur, die den Ursprüngen der Menschheit näher stand. Bereits im 19. Jahrhundert war die Südseeinsel Tahiti, die erst 1767 im Zentrum Polynesiens entdeckt worden war, als Insel der Seligen zum Wunschziel eines irdischen Paradieses geworden. 100 Jahre zuvor waren schon Künstler und Literaten diesem Traum gefolgt und nach Tahiti ausgewandert — leider erfolglos. Durch die Indochina-Pavillons der Pariser Weltausstellung (1889) inspiriert, wollte Gauguin als Aussteiger dort seinen Traum von einem „Atelier der Tropen“ verwirklichen. Der künstlerische Außenseiter hoffte, hier eine neue Form und Freiheit für die moderne Kunst zu finden.

figure 1

Paul Gauguin „Zwei Schwestern“ (1892)

© Fine Art Images / Heritage Images / picture alliance

Schiffsjunge und Börsenmakler

Das Leben des 1848 in Paris geborenen Paul Gauguin war von jeher unstet. Nach seiner Geburt wanderte die Familie nach Peru aus. Auf der Überfahrt starb der Vater, dort angekommen brach der Bürgerkrieg aus, bald mussten sie wieder zurückkehren. Nach seiner Gymnasialzeit war Gauguin zunächst Schiffsjunge, dann diente er erst der Handelsmarine und anschließend als Matrose der Kriegsmarine. Seinen größten beruflichen Erfolg hatte er danach als Börsenmakler bei einer Pariser Bank. Doch schlug er lieber die unsichere Laufbahn eines Künstlers ein. Noch während seines Malstudiums heiratete er das dänische Kindermädchen Mette Gad, mit der er drei Söhne und zwei Töchter bekam.

1879 nahm Gauguin an der 4. und 1882 an der 7. Ausstellung der Impressionisten in Paris teil. In Kopenhagen, wo er mit Familie vorübergehend wohnte, hatte er 1885 einen Misserfolg mit seinen ausgestellten Bildern, sodass er vorübergehend als Plakatkleber sein Geld verdienen musste, zumal es zu einem Zerwürfnis mit den Schwiegereltern kam. 1891 verabschiedete er sich ohne Familie nach Tahiti.

Zerstörtes Paradies

Mit seinen Südseebildern wurde Gauguin zur Künstlerlegende. Sie erzielen heute Rekordpreise. Immer wieder wurden und werden sie reproduziert. Gemalt hatte er dort leuchtend farbige Landschaften, Strände mit Palmen und vor allem exotische Mädchen und Frauen. Natur und Menschen sollten im Sinne eines „dekorativen Expressionismus“ in farbig abstrakten Mustern verschmelzen. Aus der Verbindung zu Tanz und Musik wollte er ein Gesamtkunstwerk (Synästhesie) entstehen lassen. Jedoch stellten die Bilder nicht die Wirklichkeit dar: Durch Christianisierung, Handel und Kolonialherrschaft war das Paradies zerstört worden.

Aber er stellte geprägt vom eigenen Glauben auch Themen der christlichen Geschichte wie die Geburt Jesu mit Insulanern in die Südsee verlegt dar. Bei seinem ersten Aufenthalt auf Tahiti schuf er nur wenige Werke, Trägheit und Melancholie überkamen ihn und sie übertrugen sich auch auf die Porträts der Bewohner. Eine Augenkrankheit, Vereinsamung und vor allem Geldmangel zwangen ihn 1893 zu einer vorzeitigen Rückkehr nach Paris. Eine Erbschaft hielt ihn dort über Wasser.

Bei seiner zweiten Tahitireise 1895 errichtete Gauguin sich unweit von Tahitis Hauptstadt ein Atelierhaus. Trotz Geldnot und Krankheit mit depressiven Phasen entstanden viele seiner Meisterwerke. In seine Hütte nahm er sich eine polynesische Schönheit zur Geliebten. Es kam zu einem endgültigen Bruch mit Mette. 1898 unternahm er einen Selbstmordversuch, nachdem Alkohol und eine Syphilis seine Gesundheit zerstört hatten. Im Alter von nur 54 Jahren starb er 1903 in seinem Haus („Haus des Genießens“) in Atuana auf der Marquesas-Insel Dominique.

Weniger bekannt sind seine Schriften und Briefe aus seinen Aufenthalten auf Tahiti. So hat Gauguin 1897 die Erinnerungen an seinen ersten Aufenthalt in seinem Buch „Noah Noah“ („Duftendes Land“) beschrieben.