Amadeo Clemente Modigliani wuchs in Livorno (Toskana) in einem literarisch und philosophisch interessierten Umfeld auf. Mit 14 Jahren erkrankte er an Typhus und soll unter hohem Fieber geträumt haben, er müsse Künstler werden. Und so brach er die Schule ab und nahm Kunstunterricht. Zwei Jahre später erkrankte er an Tuberkulose, zu deren Behandlung er mit seiner Mutter den Winter im sonnigeren Italien (Neapel, Capri, Rom) verbrachte. Danach verblieb er zum Kunststudium in Florenz. 1903 lernte er in Venedig die Kunst der alten Meister, aber leider auch die „Freuden“ des Haschisch kennen. 1906 zog er nach Paris und nahm Unterricht im Aktzeichnen. Trotz seiner gesundheitlichen Probleme genoss er das ausschweifende Boheme-Leben am Montmartre.

Zwischen 1909 und 1914 widmete sich Modigliani ganz der Steinbildhauerei. Er schuf vor allem um 1911 seine „Säulen der Zärtlichkeit“, die 1912 im Pariser Herbstsalon vorgestellt wurden. Jedoch beendete er die Kalksandstein- und Marmorbildhauerei abrupt. Vielleicht war die Ursache seine angeschlagene Gesundheit. In dieser Zeit hatte er eine vorübergehende Beziehung zur russischen Dichterin Anna Achmatova. 1914 begann Modigliani ein Verhältnis mit der englischen Literatin Beatrice Hastings, die zum bevorzugten Modell seiner damaligen Bildnisse wurde.

Seit dieser Zeit galt sein künstlerisches Schaffen den Porträts. So bildete er die Pariser Avantgarde und Künstlerkollegen wie Pablo Picasso ab. Gruppenbildnisse sucht man vergebens in seinem Schaffen. 1916/1917 entstanden 30 seiner berühmten idealisierten Aktgemälde, die er in der Tradition der nackten Venus in dem ihm eigenen Stil malte. Er schuf nur wenige Landschaftsbilder.

Suche nach dem Unbewussten

Modigliani lässt sich in keine der damaligen Kunstströmungen einordnen. Seine Werke vereinen expressionistische, kubistische und symbolistische Elemente. Und es sind italienische Einflüsse der Antike, der Renaissance und des Manierismus zu erkennen. Die Bildnisse entstanden überwiegend aus seinen Zeichnungen, aber auch aus Fotografien. Nicht nur „Der Junge“ (1918), auf der Titelseite dieser Ausgabe, hat freskohafte Züge und erinnert sehr an das Gemälde „Der Knabe mit der roten Weste“ von Paul Cézanne (1839—1906), den Modigliani sehr verehrte. Die Konturlinien sind weich geschwungen, die Farben sanft. Modigliani hat noch weitere Gemälde mit ähnlichem Motiv geschaffen wie 1917 seinen „Der junge Lehrling“. In seinem Skizzenbuch hat der sehr Belesene einmal notiert: „Was ich suche, ist nicht das Wirkliche und auch nicht das Unwirkliche, sondern das Unbewusste, das Mysterium des Instiktiven“. In sich gekehrt sitzen seine Porträtierten mit meist geneigten Kopf und erscheinen stumm meditativ ganz bei sich (Abb.).

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Amadeo Modigliani „Mädchen in Blau“ (1918)

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Tod durch Tuberkulose

Im Jahr 1917 lernte er die 19-jährige Kunststudentin Jeanne Hébuterne kennen, die ein Jahr später ein Mädchen bekam. 1919 wurde sie erneut schwanger. Modigliani war inzwischen schwer an Tuberkulose erkrankt. 1920 starb er im Alter von nur 35 Jahren in der Charité in Paris. Am folgenden Tag beging die hochschwangere Hébuterne Selbstmord. Die kleine Tochter Jeanne wurde von Modiglianis Schwester adoptiert und verfasste später mit „Modigliani ohne Legende“ eine bedeutende Biographie ihres Vaters.

Seine Popularität begann direkt nach seinem Tod und seine Werke erzielen bis heute immer höhere Preise. Die außerordentliche Beliebtheit Modiglianis dürfte in der Durchdringung von Liebe und Zärtlichkeit zu den in seinen Bildern dargestellten Menschen liegen. „Das Glück ist ein Engel mit ernstem Gesicht“ hat er einmal geschrieben. 1991 fand in Düsseldorf eine sehenswerte retrospektive Ausstellung statt, welche „DIE ZEIT“ mit „Maler der menschlichen Stillleben. Eine Legende wird besichtigt“ titulierte.