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Bislang wird die Impfung gegen Meningokokken B von der STIKO nicht allgemein empfohlen, bei erhöhtem Risiko aber als Indikationsimpfung angeraten. Welchen Stellenwert die Meningokokken-B-Impfung heute hat, erläutert der Kinder- und Jugendarzt Dr. Stephan von Landwüst.
? Auf welche Anzeichen sollte der Kinderarzt achten, um eine Meningokokken-Erkrankung nicht zu übersehen?
Dr. Stephan von Landwüst: Das schnelle Fortschreiten und eine Letalität von bis zu 10 % erfordern ein frühzeitiges Erkennen invasiver Meningokokken-Erkrankungen. Eine fehlende Nackensteifigkeit ist kein Ausschlusskriterium — diese tritt bei Säuglingen und Kleinkindern oft nicht auf. Zudem verläuft rund ein Viertel der invasiven Meningokokken-Erkrankungen ausschließlich als Sepsis ohne Hirnhautentzündung. Ein sich rasch verschlechternder Allgemeinzustand, ein gräuliches Hautkolorit und eine Kreislaufzentralisation mit kühlen Extremitäten können Frühwarnsymptome sein. Ältere Kinder klagen manchmal außerdem über Beinschmerzen. Bei Säuglingen kann eine vorgewölbte Fontanelle auf eine Meningitis hinweisen. Zudem sollte der Kinderarzt auf sein „Bauchgefühl“ achten und im Zweifelsfall vorsorglich Notfallmaßnahmen einleiten.
? Welche Bedeutung haben Meningokokken B als Ursache einer Meningitis?
von Landwüst: Meningokokken zählen zu den häufigsten bakteriellen Erregern einer Meningitis. In Deutschland sind vor allem die Serogruppen B und C relevant. Im Jahr 2015 wurden 289 invasive Meningokokken-Erkrankungen gemeldet. Der seit 2003 abnehmende Trend hat sich nicht fortgesetzt. Im Gegenteil: Die Fallzahlen stiegen um 4 % gegenüber dem Vorjahr an. Laut Infektionsepidemiologischem Jahrbuch waren im Jahr 2015 bei 72 % Meningokokken B verantwortlich. Die weitere epidemiologische Entwicklung könnte zukünftige Empfehlungen für die MenB-Impfung beeinflussen.
? Was hält die STIKO bislang von einer allgemeinen Empfehlung für die Meningokokken-B-Impfung ab?
von Landwüst: Vor dem Hintergrund der geringen Inzidenz reicht der STKO die derzeitige Evidenzlage für eine allgemeine Impfempfehlung nicht aus. Aufgrund der vorliegenden Studiendaten geht die STIKO zwar davon aus, dass die Impfung vor invasiven Erkrankungen durch einen Großteil der in Deutschland zirkulierenden MenB-Stämme schützen kann. Nach drei Dosen entwickeln 84 bis 100 %, nach vier Dosen 95 bis 100 % der Geimpften schützende Antikörper. Für eine abschließende Bewertung fehlen aber wichtige Daten beispielsweise zur Persistenz des Impfschutzes sowie zur Sicherheit des Impfstoffs.
Außerdem tritt nach der MenB-Impfung häufiger Fieber auf als bei anderen Routine impfungen. Wird die MenB-Impfung zusammen mit der Sechsfach- sowie der Pneumokokken-Impfung verabreicht, entwickeln 58 bis 65 % Fieber und 1 bis 12 % hohes Fieber. Hinzu kommt, dass gemäß den Ergebnissen einer Akzeptanzbefragung unter niedergelassenen Kinderärzten eine weitere Mehrdosen-Impfung im Impfkalender im 1. Lebenshalbjahr eine Herausforderung sein könnte [Epid Bull 36/2014, 356–60].
Sehr aufschlussreich sind jetzt aktuelle Daten aus Großbritannien, das als erstes Land die MenB-Impfung mit einem Zwei-Dosen-Schema für Säuglinge in das nationale Impfprogramm aufgenommen hat [Parikh SR et al. Lancet 2016;388: 2775—82]. Es zeigte sich, dass die Impfung eine hohe Akzeptanz findet. Die Wirksamkeit gegen impfpräventable B-Stämme lag bei respektablen 94,2 % und in den ersten zehn Monaten nach Einführung des Impfprogramms konnte die Inzidenz der Meningokokken-B-Fälle bei Säuglingen bereits um 50 % reduziert werden. Diese Daten könnten auch für eine künftige Neubewertung durch die STIKO wichtig werden.
? Für welche Patienten gilt die MenB-Impfung bereits heute für sinnvoll?
von Landwüst: Die MenB-Impfung wird von der STIKO als Indikationsimpfung für besonders gefährdete Personen empfohlen. Dazu zählen Patienten mit angeborener oder erworbener Immundefizienz, insbesondere mit Komplement- oder Properdindefekt, Hypogammaglobulinämie, Asplenie sowie unter Eculizumab-Therapie. Außerdem kann die Impfung bei Ausbrüchen oder regionalen Häufungen angezeigt sein. Sinnvoll ist die Impfung insbesondere auch für enge Kontaktpersonen von Erkrankten. Je nach Zielregion ist sie außerdem eine Reiseimpfung. Die STIKO weist explizit darauf hin, dass im Einzelfall über die Empfehlungen hinaus weitere Impfungen sinnvoll sein können. So impfe ich auch bei großer Sorge der Eltern gegen Meningokokken B. Bei der U3 händige ich ein selbst verfasstes Merkblatt aus, das auch über die MenB-Impfung informiert und biete auf Wunsch ein persönliches Beratungsgespräch an.
! Herr Dr. von Landwüst, vielen Dank für das Gespräch.
Literatur
Das Interview führte Angelika Bauer-Delto.
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Springer Medizin. Gegen Meningokokken B impfen?. Pädiatrie 29, 37 (2017). https://doi.org/10.1007/s15014-017-1015-9
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