Im Jahr 1995 hatte der Kunsthistoriker und Picasso-Kenner Werner Spies 192 Kinderbilder für die Ausstellung „Picassos Welt der Kinder“ in Düsseldorf zusammengetragen. Mit diesen Werken wurde Picasso in Deutschland nun auch als Kindermaler bekannt. Von Anfang an hatte er immer wieder Kinder entsprechend seiner Schaffensperioden, vor allem in symbolischen und mythischen Szenen, dargestellt. In Düsseldorf konnte man nun auch die „privaten“ Zeichnungen und Bilder Picassos eigener vier Kinder kennenlernen und bewundern.

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Pablo Picasso „Maya im Matrosenanzug“ (1938)

© Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Bilder von Maya

Am häufigsten malte er seine Tochter María de la Concepción, genannt Maya, die am 5. Oktober 1935 zur Welt kam. Picasso hatte ihre bildschöne Mutter Marie-Thérèse Walter in den acht Jahren zuvor zu seinem Modell und dann zu seiner heimlichen Geliebten gemacht. Nach der Geburt von Maya trennte er sich von seiner Frau Olga. Von allen vier Kindern Picassos konnte Maya die meiste Zeit mit ihrem berühmten Vater verbringen. Es gibt mehrere naturalistische Zeichnungen von Maya als Säugling, Kleinkind und junges Mädchen.

Er erfüllte aber auch ihre Wünsche und zeichnete und malte gemeinsam mit ihr. Seine berühmten ganzfigurigen „Maya-Bilder“ aus dem Jahr 1938 wie „Maya mit dem Boot“, „Maya mit 2 ½ Jahren mit dem Boot“ sowie zwei „Maya mit der Puppe“ erinnern an von Kindern gemalte Bilder. Es sind statische Bilder mit der Wiedergabe biomorpher Verformungen der Bewegungsabläufe und deformierter Glieder. Sein Gemälde „Maya im Matrosenanzug“ zeigt mit dem Schriftzug „picasso“ auf der Matrosenmütze eine Besonderheit, die zu Spekulationen führte. Auf die Frage, ob es ein Selbstporträt sei, habe Picasso dies nicht verneint. So trägt dieses Bild in der Literatur vereinzelt auch den Namen „Der Schmetterlingsfänger“. Die meisten dieser privaten Bilder verließen Picassos Atelier nicht und wurden der Öffentlichkeit erst mit dem Nachlass bekannt.

Der Jahrhundertmaler-Vater

Selbstporträts oder Familienbilder mit einem seiner vier Kinder gibt es fast gar nicht – außer sie haben ausnahmsweise einen symbolischen, mythischen Charakter. Und Picasso hörte auf, sie zu malen, nachdem sie dem Kindesalter entwachsen waren. Das gilt auch für seinen einzigen ehelichen Sohn Paulo (geb. 1921) sowie die beiden Kinder seiner späteren Geliebten, Muse und heute 94-jährigen Malerin Francoise Gilot Claude (geb. 1947) und Paloma (geb. 1949). Diese hatten sehr früh den Kontakt zu ihrem Jahrhundertmaler-Vater verloren.

Von allen Drei sind wunderbare Kinderbilder, vor allem Porträts aus den 50er-Jahren, erhalten. Bekannt ist der kleine Paulo als ernst dreinschauender Harlekin geworden, der auch den Bildband „Picasso. (Die) Welt der Kinder“ von Werner Spies ziert.

Natürlich hat Picasso viele nicht familiäre „unpersönliche“ Kinder gemalt. Sein berühmtestes Kinderbild ist das „Kind mit der Taube“ (1901), das zum Symbol der Friedensbewegung wurde. Es entstand in der Übergangszeit seiner sogenannten Blauen Periode zur Rosa Periode. Auch andere Kinder Anfang der 1890er-Jahre erscheinen aufmerksam erzogen, allzu traurig und zeigen einen eher unkindlichen Ernst. Im Gegensatz zu den Maya-Bilder besitzen sie weder Spielzeug noch spielen sie. Es sind mehr die Gesten der Großen nur im kleinen, die Picasso darstellte. Dies gilt auch für die Harlekin-Familienbilder um 1905/6. Von da an bis zum Ende des 1. Weltkriegs stellte er fast keine Kinder mehr dar. In seinem berühmten Kriegsbild „Guernica“ (1937) ist es ein totes Kind auf dem Arm der Mutter.

Die von ihm gemalten Kinder seiner letzten 30 Jahre drücken dann wieder Lebensfreude aus. Picasso soll 1945 gesagt haben „Als ich so alt war wie diese Kinder, da konnte ich zeichnen wie Rafael. Es hat viele Jahre gedauert, bis ich zeichnen konnte wie diese Kinder.“ 1973 starb Picasso im Alter von 91 Jahren. Kurz zuvor waren die Gemälde „Vaterschaft“ (Selbstporträt) und „Mutterschaft“ entstanden.