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Dr. med. Hartmut Koch, Vechta

Bei einer onkologischen Behandlung einer Schwangeren wird der Fetus potenziell toxischen Substanzen exponiert, die die Zellteilung beeinflussen. Die meisten Daten, die hierzu vorliegen, stützen sich auf retrospektive Kohortenstudien. Eine Arbeitsgruppe aus dem belgischen Leuven legt nun eine prospektive Studie vor. Darin wurden 129 Kinder (mittleres Alter 22 Monate), bei deren Müttern in der Schwangerschaft eine Krebserkrankung diagnostiziert wurde, untersucht. Bei 55 % der Mütter handelte es sich um Brustkrebs, bei 16 % um eine hämatologische Erkrankung und bei 15 % um Krebs im Genitaltrakt. 78 von 129 Müttern hatten Anthracycline erhalten.

Die Entwicklung dieser Kinder wurde mit Kindern von Müttern ohne Krebsdiagnose in der Schwangerschaft verglichen. Alle Kinder wurden prospektiv neurologisch untersucht. Zusätzlich wurden die Bayley-Skalen angewendet und im Alter von 36 Monaten eine kardiologische Untersuchung vorgenommen. Von den 129 Kindern waren 96 (74,4 %) einer Chemotherapie exponiert, 11 (8,5 %) einer Strahlentherapie (allein oder in Kombination), 13 (10,1 %) einem chirurgischen Eingriff bei der Mutter und 14 (10,9 %) keinerlei Behandlungen der Mutter ausgesetzt.

Ein Geburtsgewicht unter der 10. Perzentile wurde bei 22 % der Kinder nachgewiesen, im Vergleich zu 15,2 % bei den Kindern in der Kontrollgruppe. Es gab keinen signifikanten Unterschied in der kognitiven Entwicklung auf der Basis der Bayley-Scores. Die kardiologische Untersuchung von 47 betroffenen Kindern im Alter von 36 Monaten zeigte normale Befunde.

Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass insbesondere die Chemotherapie in der Schwangerschaft keinen eindeutig negativen Effekt auf das postnatale Wachstum, die kognitive Entwicklung und die Herzfunktion hat. Außerdem folgern die Wissenschaftler, dass die Behandlung einer mütterlichen Krebserkrankung im zweiten Trimester der Schwangerschaft oder später nicht schädlich für den Fetus ist. Sie empfehlen, die Mütter über die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt zu informieren, aber auch zu erwähnen, dass die Kinder in diesem Fall ebenfalls unter keinen speziellen Problemen leiden.

Kommentar

Diese wichtige Untersuchung hat ein vollkommen anderes Ergebnis geliefert als die meisten Ärzte und Laien wohl erwartet hätten. Der Verfasser dieser Zeilen erinnert sich noch gut, dass die Diagnose einer Krebserkrankung bei einer Schwangeren mit sehr ernsthaften Überlegungen, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, verbunden war. Überraschend ist die Empfehlung der Autoren, die betroffenen Mütter auf eine mögliche Erhöhung der Frühgeburtlichkeit hinzuweisen. In der Untersuchung wurde eine Erhöhung der Frühgeburtenrate nicht nachgewiesen.