Nur 10 % aller Kaiserschnitte werden durchgeführt, um das Leben und die Gesundheit von Mutter und/oder Kind zu retten, berichtete Prof. Miriam Deniz, Ulm. Bei circa 90 % aller Schnittentbindungen ist gemäß S3-Leitlinie vor der Entscheidung für oder gegen eine Sectio caesarea eine Abwägung der geburtlichen Risiken für Mutter und Kind geboten [Louwen F et al. Geburtshilfe Frauenheilkd 2021;81:896-921].

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Circa 90 % aller Schnittentbindungen werden erst nach einem Abwägen der geburtlichen Risiken für Mutter und Kind durchgeführt, nur circa 10 % sind Notfälle.

Sollte im Vorfeld die Möglichkeit einer Sectio auch im Sinne einer Beckenbodenprotektion besprochen werden? Bei unauffälligem Schwangerschaftsverlauf und fehlendem Risikoprofil der Frau stelle die elektive Sectio zur Beckenbodenprotektion keine aufklärungspflichtige Behandlungsalternative dar, so Deniz. Dieses Fazit ergab sich im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen sowie einem Juristen im Rahmen eines 2022 publizierten Beitrags. „Wir verstehen die vaginale Geburt an sich nicht als Behandlung“, erläuterte Deniz. Bei Risikofällen aber sollte die Option einer elektiven Sectio laut der Expertenrunde Teil des Aufklärungsgesprächs sein.

Frauen, die einem Risikokollektiv zuzuordnen sind, lassen sich in drei Gruppen einteilen: Frauen mit vorbestehender Beckenbodenfunktionsstörung, Frauen mit erhöhtem Risiko und Frauen mit therapierter Beckenbodenfunktionsstörung.

Frauen mit vorbestehender Belastungsinkontinenz oder vorbestehender Senkung nach der Geburt ihres ersten Kindes könne aufgrund der Datenlage geraten werden, das zweite Kind normal zu entbinden, sagte Deniz. Anders verhält es sich bei Frauen nach einem Dammriss III. und IV. Grades. Diesen Frauen sollte eine elektive Sectio caesarea angeboten werden, zitierte Deniz aus der entsprechenden Leitlinie [AWFM-Registernummer 015-079].

Zur Risikostratifizierung bei Frauen mit erhöhtem Risiko für Beckenbodenfunktionsstörungen nach Geburt stellte Deniz einen online verfügbaren Risikorechner vor (https://riskcalc.org/UR_CHOICE/). Mithilfe dieses Tools könne das spezifische Risiko kurz vor dem Entbindungstermin berechnet werden.

Bei Frauen, die bereits therapiert wurden, besteht noch kein ausreichendes Wissen. „Die bisherigen Daten sprechen nicht dafür, dass wir eine primäre Sectio nach einer operativen Versorgung machen müssten“, sagte Deniz. So zeigte eine Metaanalyse, dass das Operationsergebnis bei Frauen, die bereits eine Inkontinenz- oder Prolaps-OP hatten und erneut schwanger wurden, nach vaginaler Geburt nicht schlechter war als bei Frauen mit primärer Sectio [Hegde A et al. Int Urogynecol J 2024;35:3-17]. „Wenn ein Leidensdruck besteht, dann kann man auch Frauen mit noch nicht abgeschlossener Familienplanung durchaus eine operative Therapie der Senkung oder der Harninkontinenz zukommen lassen“, erklärte Deniz.

Vortrag „Was passiert mit meinem Beckenboden - Entscheidung zur Sectio“ von Prof. Miriam Deniz, 16. März.2024