Unter den diversen wissenschaftlichen Vortragsprogrammen auf dem Deutschen Krebskongress gab es auch eines zum Einsatz von der Komplementärmedizin in der Onkologie. Schwerpunktthemen waren Fatigue, Ernährung, Lebensqualität und die Umsetzung der S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ [AWMF-Registernummer: 032-055OL]. Deutlich wurde, dass die konventionelle Medizin zunehmend durch Komplementärmedizin ergänzt wird. Nachfolgend sind ausgewählte Inhalte mit praktischer Bedeutung zusammengestellt.

Patientenberatung in MWO

In der oben genannten S3-Leitlinie ist die konsensbasierte Empfehlung, alle Patientinnen frühestmöglich und im Verlauf wiederholt nach ihrem Interesse an Informationen zu komplementärmedizinischen Maßnahmen zu befragen. Bisher erfolgte hierzu im Medizinstudium und in den Facharztausbildungen der verschiedenen Fachrichtungen keine systematische Ausbildung. Nun wurde die Musterweiterbildungsordnung (MWO) der Bundesärztekammer geändert und der Erwerb von Beratungskompetenz zu Komplementärmedizin in der gynäkologischen Onkologie im Facharztkatalog Gynäkologie und Geburtshilfe neu aufgenommen. Alle Landesärztekammern außer Bayern und Berlin haben diesen Punkt in ihre Weiterbildungsordnung aufgenommen. Zum Erwerb der Beratungskompetenz in diesem Bereich werden strukturierte Kurse angeboten. Unter den Kursanbietern hat die NATUM als kooperierende wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft der DGGG die umfangreichsten Erfahrungen.

Fatigue: neues Konzept mit App

Die Fortschritte und Erfolge bei den onkologischen Behandlungen gehen eineher mit zunehmenden Belastungen für die Patientinnen. Etwa wird immer häufiger tumorassoziierte Fatigue (CRF) diagnostiziert, für die eine völlige körperliche, emotionale und/oder geistige Erschöpfung charakteristisch ist. Fehlender Antrieb, anhaltende Müdigkeit und Kraftlosigkeit, die in keinem Verhältnis zu vorangegangenen körperlichen oder geistigen Anstrengungen stehen, können durch Schlaf und Erholungsphasen nicht mehr ausgeglichen werden.

Auf dem Krebskongress wurde das erste psychoonkologische Therapieprogramm gegen CRF vorgestellt, die Untire-App. Sie ist vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) zugelassen. Ziel ist die Reduktion von Erschöpfungszuständen und die Verbesserung der Lebensqualität, wobei die Patientinnen die App dreimal pro Woche für etwa 20 Minuten nutzen sollen.

Die App wird extrabudgetär per Rezept verordnet. Alle gesetzlichen und viele private Krankenkassen übernehmen die Kosten. Eine Folgeverordnung ist nach 90 Tagen möglich. Grundlage für dieses Konzept sind umfangreiche wissenschaftliche international publizierte Daten, die international publiziert sind [Spahrkäs S. et al. Psychooncology 2020; 29:1823-34; Spahrkäs S et al. Ann Oncol 2023;https://doi.org/mmds].

Ernährung

In mehreren Sitzungen wurde die zentrale Bedeutung der Ernährung onkologischer Patienten angesprochen. Eine Mangelernährung zu erkennen, ist ein wichtiges diagnostisches Ziel, da ihre Therapie die Sterblichkeit senkt. Eine quantitative Mangelernährung liegt bei einem Body-Mass-Index (BMI) < 18,5 kg/m2 oder unbeabsichtigtem Gewichtsverlust > 10 % in den letzten drei bis sechs Monaten vor oder bei BMI < 20 kg/m2 und unbeabsichtigtem Gewichtsverlust > 5 % in den letzten drei bis sechs Monaten. Qualitative Mangelernährung hingegen ist als gesondert zu betrachten. Bei Verdacht auf Mangelernährung ist zur Diagnostik eine orientierende Laboranalytik hilfreich. Bestimmt werden sollten dabei Albumin, Präalbumin, Transferrin und Leukozyten.

Zu Vitamin D, Vitamin B12 und Selen lauten die aktuellen Empfehlungen, ihren Serumspiegel zu bestimmen. Dies soll auch geschehen, wenn im Rahmen der Supplementation die empfohlene Dosis der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gezielt überschritten wird oder eine langfristige Einnahme geplant ist.

Berlin, 36. DKK, 21.-24. Februar 2024