Malerinnen haben es in der Kunstgeschichte traditionell schwer. Viele wurden zu ihren Lebzeiten kaum zur Kenntnis genommen und erst in der feministisch geprägten zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für ein größeres Publikum entdeckt. Es gibt aber auch eine große Ausnahme. Im 18. Jahrhundert wurde eine Malerin geradezu hymnisch gefeiert und zu einem Superstar der internationalen Kunstszene. Heute ist ihr Ruhm dagegen weitgehend verblasst. Die Rede ist von Angelika Kauffmann.

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Angelika Kauffmann: Die Dichtung umarmt die Malerei, 1782

Angelika Kauffmann wurde 1741 in der Schweiz als Tochter eines wohlhabenden Portrait- und Freskenmalers geboren. Ihr zeichnerisches Talent machte sich bereits früh bemerkbar. Schon als Jugendliche besuchte sie Italien. Dort beeindruckte sie in den Museen nicht nur die klassische Kunst. Sie verliebte sich auch in das Land selbst und übersiedelte nach Rom. Die Stadt war im ausgehenden 18. Jahrhundert ein veritabler Hot Spot für die Reichen und Gebildeten Europas. Vor allem die Publikationen Johann Joachim Winkelmanns hatten eine ausgeprägte Antiken-Begeisterung ausgelöst. Winkelmann verbreitete dabei ein äußerst idealisiertes Bild der Antike, das geprägt war von „edler Einfalt, stiller Größe“. Angelika Kauffmann setzte genau dieses idealisierte Bild der Antike in ihrer Malerei um und wurde damit zur herausragenden Vertreterin des „empfindsamen Klassizismus“. Das Gemälde „Die Dichtung umarmt die Malerei“ zeigt dies auf exemplarische Weise.

Im Rom des ausgehenden 18. Jahrhunderts war sie mit diesem Stil definitiv am richtigen Ort. Hier hatte man die Antike direkt vor Augen. Und die ewige Stadt war ein begehrtes Reiseziel auf der „Grand Tour“ durch Italien, die für Adelige und reiche Bildungsreisende mittlerweile ein Pflichtprogramm war. Ebenfalls zum Pflichtprogramm gehörte es, sich in Rom für teures Geld von Angelika Kauffmann portraitieren zu lassen. Die gebürtige Schweizerin wurde dadurch nicht nur eine begehrte Künstlerin, sondern auch eine hofierte Dame der feinen Gesellschaft. Das gilt im Übrigen auch für Deutschlands berühmtesten Italienreisenden, Johann Wolfgang von Goethe. Während seines Aufenthaltes in Rom pflegte er intensiven Kontakt mit der Schweizer Künstlerin.

Heutzutage ist uns das idealisierte Bild der klassischen Antike weitestgehend fremd geworden. Die Geschichtsschreibung hat uns gelehrt, dass edle Einfalt und stille Größe nicht die vorherrschenden Merkmale dieser Zeit waren. Vielmehr ging es in der Antike durchaus handfest, häufig lüstern und in vielen Fällen auch äußerst brutal zu. Und so sprechen uns die stets ein wenig entrückt wirkenden Bilder Angelika Kauffmanns nur noch wenig an.

Dass sie vielleicht tatsächlich nicht die ganz große Malerin war, zu der sie ihre Zeitgenossen verklärten, schwante offenbar bereits auch Goethe, der ja kein schlechter Zeichner war. Obwohl freundschaftlich mit ihr verbunden, urteilte er über Angelika Kauffmanns Porträt von ihm: „Angelika malt mich auch, daraus wird aber nichts… Es ist immer ein hübscher Bursche, aber keine Spur von mir.“