Joaquin Sorolla y Bastida galt um die Jahrhundertwende als der berühmteste Maler Spaniens. Heute ist er in Deutschland so gut wie unbekannt. Spanische Malerei im 20. Jahrhundert - das sind bei uns vor allem Pablo Picasso und Salvador Dali. Verglichen mit diesen Kunstrevolutionären wirkt Sorolla eher konventionell, wenn nicht gar oberflächlich. Zu Unrecht.

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Joaquín Sorolla: Spaziergang am Strand, 1909

Geboren wurde Joaquin Sorolla 1863 in Valencia, Spanien. Das Meer lag also sozusagen vor seiner Haustür. Um es richtig zu malen, bedurfte es allerdings eines Aufenthaltes in Paris. 1885 entdeckte Sorolla in der französischen Hauptstadt die Kunst der Impressionisten und war davon begeistert. Von da an hatte er seinen persönlichen Stil gefunden. Sorolla wurde zu Spaniens „Maler des Lichts“ und begründete sogar eine eigene Kunstrichtung, den „Luminismo valenciano“.

Als eines der besten Beispiele dieser Stilrichtung kann Sorollas „Strandspaziergang“ von 1909 gelten. Das Bild misst kühne 205 × 200 cm. Und auf diesen vier Quadratmetern zeigt Sorolla sein ganzes Können.

Dargestellt sind seine Ehefrau und seine älteste Tochter, die im eleganten Outfit der Zeit bei offensichtlich windigem Wetter am Strand promenieren. Das war damals als Freizeitbeschäftigung noch ziemlich neu. Mitte des 19. Jahrhunderts gruselte man sich eher vor dem Meer, seiner Unberechenbarkeit und seinen Stürmen. Urlaub am Strand zu machen, kam damals kaum jemand in den Sinn. Das änderte sich jedoch um 1900, als es für eine europäische Oberklasse chic wurde, in Seebädern die „Sommerfrische“ zu genießen. Doch das tat man anders als heute. Eigentliche Badekleidung gab es noch nicht. Sie wäre auch nicht zweckmäßig gewesen. Zum einen konnten die wenigsten schwimmen, zum anderen galt weiterhin das Schönheitsideal der „vornehmen Blässe“. Vor der Sonne schützte man sich mit langen Gewändern, breitkrempigen Hüten und tragbaren Sonnenschirmen.

All das zeigt uns Sorolla hier im Großformat. Das macht sein Bild auch kulturgeschichtlich interessant. Vor allem aber zelebriert er in unnachahmlicher Weise die Wiedergabe der Lichteffekte, spielt mit den verschiedenen Blautönen des Meeres und dem unterschiedlichen Weiß der Kleidung und des Sonnenschirms. Auch die Perspektive zeugt von Originalität. Die beiden Frauen sind von schräg oben dargestellt, als säße der Maler auf einer Art von Gerüst. Das alles führt dazu, dass Licht und Bewegung sehr intensiv, aber auch völlig ungekünstelt zur Geltung kommen. Man sieht in diesem Bild nicht nur das Funkeln, Flimmern und Glitzern des Wassers und des Lichtes. Man hört auch geradezu das Rauschen des Meeres und spürt den Wind, der die Röcke der Frauen bauscht. Viel mehr kann Malerei nicht leisten. Es wird Zeit, Joaquin Sorolla wieder zu entdecken.