Albrecht Dürer war in der alten Bundesrepublik deutlich präsenter als heute. Seine Frauenporträts schmückten gleich zwei Geldscheine. Aber während die Dame auf dem Zwanzig-Mark-Schein ganz klar zuzuordnen ist - es handelt sich um die Nürnberger Patriziergattin Elsbeth Tucher -, wissen wir von der versonnen blickenden jungen Frau auf dem Fünf-Mark-Schein lediglich, dass es sich um eine junge Venezianerin handelt. Aber wer war sie genau?

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Albrecht Dürer: Bildnis einer jungen Venezianerin, 1505

Im Wirtschaftswunderland der Adenauer Zeit stand Dürer nicht zuletzt deshalb hoch im Kurs, weil er vermeintlich gut zu den Werten der damaligen Zeit passte. Ein großer deutscher Künstler, der aber nicht allzu nationalistisch war und sich eher unpolitischen Themen widmete. Geschätzt wurde der Maler des "Feldhasen" oder der "Betenden Hände".

Dabei war eigentlich schon damals klar, dass Dürer alles andere war als ein harmloser Illustrator deutscher Biederkeit. Er war das genaue Gegenteil: ein Künstlerberserker, der alle Normen sprengte; ein genialer Egomane, der sich um gesellschaftliche Konventionen wenig kümmerte; ein cleverer Geschäftsmann, der seine Kunst professionell vermarktete. Albrecht Dürer war der erste Popstar der bildenden Kunst in Deutschland.

Um das zu erkennen, muss man sich nur einmal seine frühen Aktzeichnungen oder sein wohl berühmtestes Bild, das Selbstporträt im Pelzrock anschauen. Wie er sich selbst da unverhohlen im Aussehen und Habitus eines wiedergeborenen Christus inszeniert - das zeugt nicht nur von handwerklicher Perfektion, das zeugt auch von einem großen Ego.

Wie im 16. Jahrhundert für erfolgreiche Maler üblich, trat auch Dürer eine Studienreise nach Italien an. Er tat das sogar zweimal. Im Sommer 1505 führte ihn die Reise nach Venedig. Das lag nahe. Denn Venedig war damals - ähnlich wie Nürnberg - nicht nur eine Kunst-, sondern auch eine Handelsmetropole. Es gab also bereits reichlich gute Kontakte vor Ort.

Zu den ersten Bildern, die Dürer in der Lagunenstadt malte, gehörte dieses überaus aparte Porträt. Die ausladenden Ärmel, die gedrehten Löckchen, das Haarnetz - all das war damals in Venedig groß in Mode. Aber warum kennen wir nicht den Namen der jungen Dame? Ein derart aufwendiges Porträt gaben eigentlich nur Personen von Stand in Auftrag. Und die wollten dann auch - siehe Frau Tucher - genannt sein.

Die wahrscheinlichste Antwort lautet: Es handelt sich bei der Dargestellten nicht unbedingt um eine Dame von Stand. Vielmehr ging sie wohl einem Beruf nach, der in Venedig zur damaligen Zeit weit verbreitet war. Wir sprechen von den vielen Liebesdienerinnen, die damals den reichen Geschäftsleuten vor Ort ihre Dienste anboten. Nicht nur die Anonymität, sondern auch das relativ freizügige Dekolleté und die ziemlich blonden Locken, die von dem Haarnetz nicht vollständig bedeckt werden, deuten darauf hin. Letztendlich lässt es sich nicht beweisen, aber vieles spricht dafür: Die ebenso schöne wie geheimnisvolle Venezianerin ist eine Prostituierte. Wenn das Adenauer gewusst hätte.