Mit der Prävalenz von Harnverhalt bei Frauen nach vaginaler Geburt haben sich japanische Medizinerinnen und Mediziner befasst. Sie interessierten sich besonders für den geeigneten Zeitpunkt der Diagnose.

Wie es zum Harnverhalt bei Müttern nach vaginaler Geburt kommt, ist nicht ganz klar, vermutlich geht er auf neurologische, mechanische und physiologische Störungen zurück. Als Risiken gelten eine verlängerte Austreibungsphase, der Einsatz von Instrumenten und ein Abriss des Musculus levator ani.

Geburtshelfende aus Japan haben die Prävalenz von komplettem und inkomplettem Harnverhalt nach vaginaler Entbindung im Zuge einer systematischen Übersicht und Metaanalyse untersucht. Einbezogen waren 24 Studien, an denen sich mehr als 80.000 Gebärende beteiligt hatten.

Die gepoolte Prävalenz von komplettem Harnverhalt über sämtliche untersuchten Zeitpunkte zwischen Geburt und Tag vier nach der Entbindung betrug 1%. Für inkomplette Verhalte - meist definiert als eine Restharnmenge von mehr als 150 ml, aber auch von 80 ml, 100 ml oder mehr - erreichte die Prävalenz 13 %. Dabei waren je nach zeitlichem Abstand zur Geburt Unterschiede festzustellen. Sechs Stunden nach der Entbindung lag bei 2 % der Frauen ein kompletter Harnverhalt vor, nach sechs bis zwölf Stunden waren es noch 1 %, für die ersten 24 Stunden nach der Geburt betrug der Anteil 3 %; dies spricht nicht für eine starke Tendenz zur Spontanremission kompletter Verhalte.

Einen inkompletten Verhalt hatte nach sechs Stunden fast jede fünfte Frau (19 %), danach sank die Rate auf 11 % am ersten, 7 % am zweiten, 8 % am dritten und 0,1 % am vierten Tag nach der Geburt.

Rechnerisch ergab sich, dass im Lauf der ersten vier Tage postpartal eine von sieben Frauen einen Harnverhalt durchgemacht hatte. Die höchste Prävalenz war nach sechs Stunden zu beobachten, was nahelegt, dass dies der richtige Zeitpunkt für die Diagnose eines portpartalen Harnverhalts ist.

Fazit: Bei einer von sieben Frauen kommt es in den ersten vier Tagen postpartal zu einem kompletten oder inkompletten Harnverhalt.

Yoshida A et al. Prevalence of urinary retention after vaginal delivery: a systematic review and meta-analysis. Int Urogynecol J 2022;33:3307-23