Während ich diese Sätze schreibe, sitze ich im Flugzeug und kehre zurück aus Oslo von der Jahrestagung der urogynäkologischen Gesellschaft der skandinavischen Länder, der Nordic Urogynecological Association (NUGA). Ein zentrales Kongressthema im wahrsten Sinne des Wortes war die Diskussion um die vaginalen Netze bei Patientinnen mit Beckenbodenproblemen. Seit dem 1. Oktober 2022 - es war der zweite Kongresstag - gibt es in Schweden mit circa zehn Millionen Einwohnern nur noch drei medizinische Zentren, die vaginale Netze implantieren dürfen: in Stockholm, Malmö und Göteburg. Dieses Modell ist dem in den Niederlanden mit circa 14 Millionen Einwohnern sehr ähnlich: Dort wurden sechs Zentren benannt. Netzfreie urogynäkologische Operationen sind nicht betroffen, obwohl aktuelle Studien beweisen, dass auch nach Faszienrekonstruktionen vergleichbar hohe Raten an Dyspareunien auftreten können.

Unter diesem Aspekt ist die Bildung von interdisziplinären Kontinenz- und Beckenbodenzentren in Deutschland ohne Beschränkung auf einzelne Operationstechniken sinnvoll, soweit die Empfehlungen des Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR) eingehalten werden und vaginale Netze nur in der Rezidivsituation beziehungsweise beim komplexen Prolaps zur Anwendung kommen.

Viele Netzoperationen und vermeintlich netzbedingte Probleme der Patientinnen könnten vermieden werden, wenn den postmenopausalen und altersbedingten Gewebeveränderungen noch mehr Rechnung getragen würde, so wie es auch in einigen Beiträgen in diesem Heft vorgeschlagen wird.

Die Lasertherapie zur Behandlung von Atrophie, wie im Beitrag von Julia von Schell und Markus Hübner auf Seite 26 beschrieben, kommt ursprünglich aus Italien, wo die lokale Östrogenisierung selten angewendet wird. Die vaginale Lasertherapie ist gerade für Frauen nach Mammakarzinom mit Beschwerden durch vaginale Atrophie eine sehr gute Option. Die Überlegung, dass eine lokale Hormontherapie nach zum Beispiel Mammakarzinom nicht kategorisch abzulehnen ist, orientiert sich individuell an den Bedürfnissen der Patientin.

Sebastian Kolben und Jacek Kociszewski beschreiben in ihrem Artikel auf Seite 20 den Stellenwert der Sonografie bei Problemen nach Bandeinlagen, was auf Netzeinlagen gut übertragbar ist.

Im Beitrag von Stefan Albrich und mir auf Seite 32 wird auf die Verantwortung hingewiesen, die wir durch unsere, in diesem Falle sonografische Diagnostik tragen. Patientinnen sollten durch diagnostische Befunde nicht verunsichert werden.

Resistente Bakterien sind im Mittelmeerraum mehr verbreitet als in unseren Breitengraden. Stephan Geßner erklärt uns auf Seite 50, wie sich Resistenzen entwickeln und welchen Einfluss wir mit unseren Verordnungen von Antibiosen haben. Das ist auch ein wichtiges Thema bei der Therapie rezidivierender Harnwegsinfekte, bedingt durch Restharnbildung bei Deszensus - und hier schließt sich thematisch der Kreis.

Genießen Sie diese spannende Ausgabe bei Kerzenlicht, um den kürzeren Tagen entgegenzuwirken, vielleicht mit einem "hygge"-Gefühl auf dem Sofa im skandinavischen Design.

Ihre

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Dr. med. Kathrin Beilecke

Oberärztin, Klinik für Urogynäkologie/Deutsches Beckenbodenzentrum (DBBZ) Alexianer St. Hedwig-Krankenhaus, Berlin