In den einschlägigen Monografien wird Ferdinand Georg Waldmüller zumeist als "Hauptvertreter des österreichischen Biedermeier" bezeichnet. Biedermeier ist zunächst einmal ein historischer und kunstgeschichtlicher Gattungsbegriff. Früh schon wurde die Vokabel aber vor allem abwertend gebraucht. Biedermeier - das wurde zum Synonym für falsche Idyllen, kleinbürgerliche Spießigkeit und kitschige Sentimentalität. In diesem Sinne ist Waldmüllers Gemälde "Bäuerin eine Kuh melkend" das Gegenteil von Biedermeier.

Es sei nicht verschwiegen, dass Waldmüller auch eine ganze Reihe von Bildern gemalt hat, die durchaus unter den Begriff "Biedermeier-Idylle" fallen. Fröhliches Landvolk auf sonnigen Wiesen, glückliche Kühe vor hohen Bergen - was sich das Wiener Großbürgertum halt gerne als Kunst über das Sofa hängte.

Im Laufe seiner Karriere veränderte Waldmüller jedoch seine Malerei. Zunehmend fand er zu einem immer realistischeren, ja geradezu naturalistischen Ausdruck. Dieses radikale "Malen nach der Natur" bescherte ihm an der konservativen Wiener Akademie gehörige Schwierigkeiten. Man kürzte ihm seine Bezüge und nahm ihm sein Atelier weg. Erst gegen Ende seines Lebens wurde Waldmüller zumindest teilweise rehabilitiert.

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Ferdinand Georg Waldmüller: Bäuerin eine Kuh melkend (1859)

Künstlerisch entstanden zu dieser Zeit jedoch Bilder, die Waldmüller aus dem großen Feld der Genre-Maler heraushoben und ihn geradezu zu einem Avantgardisten machten. "Bäuerin eine Kuh melkend" ist eben in keiner Weise idyllisch. Es zeigt den Alltag der österreichischen Landbevölkerung, wie er in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts tatsächlich war, nämlich bitterarm. Ein wenig Idylle hätte man ja durchaus ins Bild bringen können, indem man das Melken zum Beispiel auf eine saftige Wiese verlegt hätte. Das entsprach aber nicht der Realität. Gemolken wurde im Stall und der wird hier betont dunkel und nahezu lichtlos dargestellt. Ebenfalls bemerkenswert für ein "Porträt": Das Gesicht der Bäuerin ist überhaupt nicht zu sehen. Was zählt, sind nicht individuellen Züge, sondern lediglich die anonyme Arbeit, die verrichtet wird. Porträtiert wird eigentlich nur die Kuh. Und sogar die schaut mitleiderregend mager aus.

Armut ist eben nicht idyllisch. Sie hat nichts Malerisches. Diese Tatsache mit den Mitteln der Malerei zum Ausdruck gebracht zu haben, macht Waldmüllers Porträt zu einem der großen Gemälde des 19. Jahrhunderts.