Wir alle sind mehr oder weniger, privat und beruflich, von den Auswirkungen der Coronakrise betroffen. Wir als Gynäkologen bemerken es unmittelbar, da deutlich weniger Frauen zur Vorsorge oder zur Durchführung elektiver Eingriffe vorstellig werden. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese geänderte Verhaltensweise im Hinblick auf die onkologische Vorsorge epidemiologisch in späteren Jahren haben wird. Bei jährlich 500.000 Neuerkrankungen an Krebs bleibt zu analysieren, ob der vorübergehende Verzicht auf Vorsorgemaßnahmen wie Zytologie oder Mammografiescreening sich als "Kollateralschaden" bemerkbar machen wird.

Eine weitere, unmittelbare Belastung der Coronakrise war das Verbot von Veranstaltungen: In Kliniken tätigen Kollegen wurden Besprechungen, klinische Übergaben, Tumorboard- und sonstige Konferenzen in der üblichen Weise untersagt und durch virtuelle Meetings ersetzt. Hier mussten neue digitale Techniken erstmals etabliert, erprobt und häufig von Kinderkrankheiten befreit werden.

Die klassischen Fortbildungsangebote, die bislang zu bestimmten Jahreszeiten kumulierten und häufig kannibalisierend um Zuhörer wetteiferten, waren von einem auf den anderen Tag nicht mehr möglich. Auch etablierte Großveranstaltungen, wie der FOKO oder die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie mussten abgesagt werden. Hätte man diese Entwicklung vor einigen Jahren noch als unvorstellbar und bedrohlich empfunden, so zeigt sich nach der Erfahrung der letzten Monate: Es geht auch virtuell!

Klinikbesprechungen, Tumorboards und Übergaben können problemlos nach einer gewissen Eingewöhnungszeit als Videokonferenzen durchgeführt werden. Auch auf Weiterbildungsangebote muss nicht unbedingt verzichtet werden. Ein Beispiel war der diesjährige Kongress der amerikanischen Krebsgesellschaft (ASCO). Bislang ein weltweit beachtetes Ereignis mit zuletzt rund 45.000 Teilnehmern aus allen Ländern, die meist mit Unterstützung der Industrie anreisen, um mehr oder weniger erfolgreich die aktuellen Ergebnisse der Onkologie zu erfahren. In diesem Jahr alles nur online. Und seltsamerweise: Es klappte trotzdem. Alle relevanten Informationen waren verfügbar, die Akzeptanz der Teilnehmer offenbar gut - mit gerüchtemäßig 8.500 Teilnehmern zwar deutlich weniger als bei den früheren Präsenzmeetings, aber wer entsprechend motiviert war, konnte sich auch die gewünschten Informationen besorgen.

Natürlich fehlt ohne Tagungen die Möglichkeit des unmittelbaren kollegialen Austauschs. Aber unter uns gesagt: Wie viel ist davon tatsächlich relevant und war man wirklich auf dem Besuch eines Kongresses angewiesen, um diesen Austausch zu führen? Auf der anderen Seite gibt es auch viele, die diese zwangsweise erfolgten Einschränkungen durchaus positiv begleiten: Die Klinikchefs, die ihre Leistungsträger und Oberärzte in der heißen Kongresszeit häufig nur vorübergehend zwischen zwei Kongressterminen in der Klinik sahen, freuten sich jetzt über deren kontinuierliche Anwesenheit; die niedergelassenen Kollegen, die häufig mit einem großen logistischen Aufwand den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen organisieren mussten, können dies jetzt zu einer gewünschten Zeit online von zu Hause aus machen; und nicht zuletzt unsere Familien, die sich über unsere häufigere Anwesenheit freuen konnten.

Natürlich gibt es auch auf unserem Gebiet die Verlierer, beispielsweise die Kongressveranstalter, Eventagenturen und so weiter, denen vorübergehend die Existenzgrundlage entzogen wurde. Es zeigt sich aber wieder einmal, dass auch im Schlechten etwas Gutes steckt: Die Digitalisierung und Nutzung elektronischer Medien wurde dramatisch beflügelt, wir wurden sozusagen über Nacht zur Digitalisierung gezwungen und haben es erstaunlicherweise auch bewältigt.

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"Wir wurden sozusagen über Nacht zur Digitalisierung gezwungen und haben es erstaunlicherweise auch bewältigt."

Prof. Dr. med. Peter Mallmann

Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätskliniku Köln