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Sehr geehrter Herr Professor Kleine-Gunk, die Lektüre Ihres Editorials hat mich verwirrt. Die Verwirrung hat damit zu tun, dass ich sowohl Gynäkologe und Geburtshelfer als auch Allgemeinmediziner bin und mich nach Ihren Zeilen gar nicht mehr zurechtfinde. Lassen Sie mich die Dinge einmal sortieren.

Aus Sicht des Gynäkologen

Ich setze mir zunächst den Hut des Gynäkologen auf. Ich verstehe mich als „Hausarzt der Frau“ und sehe über den Tellerrand hinaus. Ich bedauere mit Ihnen, dass das Einjahresintervall für Zervixvorsorgeuntersuchungen in Gefahr gerät und wir damit den jahrzehntelang aufgebauten engmaschigen Kontakt zu den Frauen zu verlieren drohen.

Wenn ich allerdings in Ihrer Logik weiterdenke, müssten wir uns dafür stark machen, dass sich die Urologen/Andrologen um die Männergesundheit kümmern, allein schon aus Gründen der Gendergerechtigkeit. Dieser neue gesundheitspolitische Ansatz hätte nur Gewinner. Die Patienten fühlen sich durch Fachärzte ohnehin besser versorgt und der Politik und den Krankenkassen könnten wir sogar ein riesiges Einsparpotenzial vorschlagen: Allgemeinärzte haben ihre Daseinsberechtigung verloren und werden zum Auslaufmodell erklärt. Ist ja bei dem prognostizierten Hausarztmangel ohnehin wohl die beste Lösung ...

Aus Sicht des Hausarztes

Nun mal anders herum mit dem Hut des Allgemeinmediziners gedacht ... Was machen Gynäkologen eigentlich den ganzen Tag? Schwangerenberatung ist kein Hexenwerk, die notwendigen Laborroutineuntersuchungen könnten Allgemeinärzte veranlassen und womöglich sogar interpretieren. Abstriche sind ebenfalls kein Hexenwerk und könnten genauso gut im Rahmen der Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen von Allgemeinmedizinern und vor allem Allgemeinmedizinerinnen für die Frauen angeboten werden. Mit einiger Fantasie könnte man sich sogar vorstellen, die Zervixkarzinomvorsorge mit dem Mammascreening zu kombinieren und den Frauen zentral anzubieten. Jede gynäkologisch-geburtshilfliche Abteilung eines Krankenhauses könnte noch eine Ambulanz betreiben, wo Ultraschalluntersuchungen und die Behandlung spezifisch gynäkologischer Krankheitsbilder und eventuell auch die Tumornachsorge angesiedelt sind. Siehe da, ein weiteres riesiges Einsparpotenzial: Der niedergelassene Gynäkologe könnte der Politik und den Kassen als Sparpotenzial angeboten und nun seinerseits zum Auslaufmodell werden.

Wofür soll ich mich jetzt stark machen?

Vielleicht wäre es aber auch sinnvoll, vor dem Verfassen von Editorials nochmals gründlich nachzudenken und denen, die uns Ärzten vorwerfen, dass es immer nur um die Verteilung der Pfründe, unter anderem zwischen Allgemeinmedizinern und Fachärzten geht, nicht eine so herrliche Steilvorlage zu liefern.