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Peter Paul Rubens — Die drei Grazien, 1635

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Rubens hat unser Bild vom Barock geprägt wie wohl kein anderer Maler. Vor allem aber hat er einen Typus von Frau geschaffen, den auch diejenigen kennen, die mit Kunst sonst nur wenig am Hut haben. Wer den Begriff Rubensfrau im Internet eingibt, der stößt jedenfalls nicht als erstes auf Leinwanddarstellungen des flämischen Barockgenies. Auch Rubens musste allerdings seine offensichtliche Freude an unbekleideten weiblichen Körpern noch den damals herrschenden gesellschaftlichen Konventionen anpassen. Und das bedeutete: Nacktheit war nur erlaubt, wenn es um die Darstellung historischer, biblischer oder mythologischer Motive ging.

Glücklicherweise lieferte vor allem die griechische Antike dafür ausreichend Material. So zum Beispiel die drei Grazien, die griechischen Göttinnen der Anmut. Bereits Raffael und Botticelli hatten sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die antiken Pin-Up-Girls mit größtmöglicher Delikatesse und Freizügigkeit auf die Leinwand zu bannen. Aber wohl kein anderer Künstler hat sich der Darstellung der Fleischeslust derart verschrieben wie Peter Paul Rubens. Er schwelgt geradezu mit Wollust in wogenden Brüsten, ausladenden Hintern, Speckröllchen im Bauchbereich und cellulitegeprägten Oberschenkeln. In einem Zeitalter, in dem Magermodels die Modemagazine dominieren und auch noch die kleinste Spur von Orangenhaut dem Photoshop zum Opfer fällt, ist das natürlich eine einzige Provokation.

Korpulenz als Ausdruck von Lebensfreude

Aber für Rubens ist Korpulenz eben nicht die Folge eines schlechten Lifestyles, sondern Ausdruck unbändiger Lebensfreude. Das gilt im Übrigen nicht nur für seine Kunst, sondern offensichtlich auch für sein Privatleben. Rubens war zweimal verheiratet und hat seine Lebenspartnerinnen mehrfach porträtiert. Auch hier wird sichtbar: Beide Frauen von Rubens waren Rubensfrauen.

Schwer — nicht unbedingt schwerfällig

Doch zurück zu den drei Grazien. Dass schwer nicht unbedingt schwerfällig bedeuten muss, zeigt Rubens Darstellung auf wunderbare Weise. Die drei Göttinnen strahlen bei aller Körperfülle nicht nur eine unverkrampfte Erotik, sondern auch eine geradezu balletteusenhafte Leichtigkeit aus.

Kunst — und vor allem alte Kunst — ist ja nicht zuletzt auch deshalb so faszinierend, weil sie uns immer wieder eines klarmacht: Es geht auch anders. Das gilt auch für Schönheitsideale. Füllige Frauen, die ihre Kenntnis von Schönheit nicht aus dem Durchblättern von Klatschzeitschriften, sondern durch den Besuch von Kunstmuseen erwerben, dürfen jedenfalls mit einem gewissen Stolz verzeichnen, dass eine Figur wie die ihre fester Bestandteil der Kunstgeschichte ist.