Die ägyptische Pharaonin ist ja so etwas wie die Traumfrau der Antike, die ultimative Femme fatale. Historisch verbürgt ist die Tatsache, dass ihr gleich zwei der bedeutendsten römischen Staatsmänner verfielen, zunächst Caesar, dann auch Marc Anton. Mit Letzterem verübte sie dann gemeinsam Selbstmord. Durch die Jahrhunderte hinweg wurde der „Mythos Cleopatra“ immer mehr ausgeschmückt. Shakespeare machte sie zur unwiderstehlichen, aber auch skrupellosen Verführerin. Das Hollywood-Kino verlieh ihr mit der jungen Elisabeth Taylor atemberaubende Schönheit in noch atemberaubenderen Kostümen. Schließlich setzten ihr Uderzo und Goscinny in „Asterix und Cleopatra“ ein Denkmal und betonten dabei immer wieder das eigentliche Geheimnis ihrer Attraktivität: „Aber sie hat eine sehr schöne Nase“.

In dem Gemälde von William Waterhouse verbreitet Cleopatra zwar nicht den Glamour einer Elisabeth Taylor, eine intensive Wirkung geht aber dennoch von ihr aus. Das liegt vor allem an dem intensiven Blick. Die Augen sind leicht verschattet dargestellt und wirken genau deshalb besonders intensiv. Bemerkenswert ist aber auch die Körperhaltung der Pharaonin. Während die linke Hand herrscherlich auf dem Löwenkopf des Thronsessels ruht, hat sie die andere, eher herrisch als herrscherlich, zur Faust geballt in die Hüfte gestemmt. Blick und Haltung verraten: Hier sitzt eine Frau, die sich ihrer Macht, ihrer Intelligenz und ihrer Sinnlichkeit in hohem Maße bewusst ist.

Welch wichtige Rolle die Augen für die Attraktivität spielen, wussten im Übrigen bereits schon die alten Ägypter selbst. Die Hieroglyphe für Schönheit ist im antiken Ägypten ein Auge, das mit einem Kajalstift stark betont ist. Dass auch Cleopatra oft und gerne in die kosmetische Trickkiste griff, ist bekannt. Ihre täglichen Bäder in Eselsmilch sind Legende.

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Cleopatra, 1888, John William Waterhouse (1849–1917)

© Paul Fearn/Alamy/mauritius images

Aber war Cleopatra tatsächlich die atemberaubende Schönheit, wie sie uns von Shakespeare bis zur Seifenwerbung präsentiert wird? Die neuere Geschichtsforschung gibt darauf eine eher desillusionierende Antwort. Schon antike Historiker wie Plutarch schreiben über die Herrscherin am Nil: „Sie vermochte nicht, durch bloßen Anblick zu betören“. Das British Museum stellte im Jahr 2001 elf Statuen der Cleopatra aus. Alle zeigen sie eher klein, dick und hässlich. Und einige syrische Münzfunde der letzten Zeit zeigen auch ihr Profil. Von dem bezaubernden Näschen der Asterix-Comics ist da nichts zu sehen. Vielmehr verfügte die Dame offensichtlich über einen beachtlichen Zinken.

Es ist also wie so oft. Die Realität hält der Verklärung durch die Nachwelt einfach nicht Stand. Umso schöner, wenn es gelingt, die Wirklichkeit durch ein wenig Fantasie aufzuhübschen. Das gelingt mit Kino und Comic. Das gelingt aber auch mit den Bildern von William Waterhouse.