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Gefürchtet: der Nachweis eines multiresistenten Keims in der Bakterienkultur.

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An der Befragung nahmen Ärzte der Fachrichtungen Gynäkologie, Urologie, Innere Medizin und Chirurgie von sechs Universitätskliniken und zwölf Krankenhäusern der Maximal- und Schwerpunktversorgung in Deutschland teil [Int Urol Nephrol. 2017; 49(8): 1311–8]. Entwickelt wurde die Befragung mit der MR-2-Studie (Multi-institutional Reconnaissance of Practice with Multiresistant Bacteria — a survey focusing on German hospitals) im Frühjahr 2015.

Ziel der Erhebung war es, das Wissen der Ärzte verschiedener Fachrichtungen über multiresistente Erreger und über Strategien zum rationalen Einsatz von Antiinfektiva zu eruieren. Der Fragebogen mit insgesamt 35 Items wurde an 1.061 Ärzte verschickt. Die Selbsteinschätzung der Befragten wurde mithilfe der Vier-Punkte-Likert-Skala eingestuft: 1 = keine, 2 = geringe, 3 = durchschnittliche und 4 = vollständige Kenntnisse. Die Rücklaufquote war mit 43 % (456/1061) nicht besonders hoch.

Die Auswertung ergab, dass signifikant mehr Urologen innerhalb der vergangenen sieben Arbeitstage mindestens fünf Patienten ein Antibiotikum verschrieben hatten (51 versus 24 %). Zudem gaben Urologen eher als die Ärzte der anderen Fachrichtungen an, ausreichend Kenntnisse über die Dosierung, die Applikationshäufigkeit und die Therapiedauer von Antibiotika (Likert-Score 3,22 versus 3,09) und über die richtige Interpretation von Antibiogrammen (3,32 versus 3,11) zu haben. Das Wissen über die rationale Antiinfektivaverordnung (Antibiotic Stewardship [ABS]) ist bei Ärzten aller Fachrichtungen gleichermaßen dürftig (2,01 versus 1,99). Wenn es um die Kenntnisse der Definition multiresistenter gramnegativer Mikroorganismen ging, schnitten in der Studie die Urologen — gemessen an ihren Angaben — signifikant besser ab als Kollegen anderer Fachrichtungen (3,44 versus 3,17).

Alle Teilnehmer machten keinen Hehl daraus, dass sie kaum etwas über das DART-2020-Programm wussten (2,03 versus 2,06). DART-2020 steht für die Deutsche Antibiotikaresistenzstrategie, die auf dem im März 2015 veröffentlichten Zehn-Punkte-Plan zur Bekämpfung multiresistenter Organismen des Bundesministeriums für Gesundheit fußt. Der Plan verfolgt das Ziel, die Resistenzproblematik und die spezifischen Probleme im human- und veterinärmedizinischen Bereich parallel und vor allem global anzugehen.

Wichtige Bausteine seien die Verbesserung der rationalen Antibiotikatherapie, die Verringerung des Antibiotikaverbrauchs sowie die Sensibilisierung des medizinischen Personals und der breiten Öffentlichkeit. Dass die befragten Ärzte so wenig über DART-2020 und die ABS-Maßnahmen wussten, ist nach Ansicht der Forscher um Dr. Steffen Lebentrau, Ruppiner Kliniken in Neuruppin, besonders beunruhigend, zumal die Informationen bereits ein halbes Jahr vor der Befragung veröffentlicht worden waren.

Wieder waren es die Urologen, die öfter als andere Fachärzte angaben, die lokale Resistenzlage gut zu kennen. Zwar betrachteten die befragten Ärzte aller Fachrichtungen die Anwendung von Breitspektrumantibiotika als problematisch, doch würden der MR2-Studie zufolge ca. 31 % der Fachärzte einer Patientin mit unkomplizierter Harnwegsinfektion ein solches Antibiotikum verschreiben.

Um die Situation zu verbessern, empfehlen Lebentrau und seine Kollegen vorrangig, in Krankenhäusern ABS als Pflichtprogramm einzuführen. Denn eine rationale Antiinfektivaverordnung setze profunde Kenntnisse der lokalen Resistenzlage, eine routinemäßige Auswertung der Antibiotikaverschreibungen sowie ausreichendes Wissen um die Inhalte und die Beachtung der aktuellen Leitlinien voraus.