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Dr. Martin Sebastian Greiff stellt in dieser Rubrik gerichtliche Entscheidungen aus dem Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe vor.

Im Rahmen einer Krebsfrüherkennungsuntersuchung fiel bei der Patientin am Muttermund ein weißlicher Belag auf. Zudem hatte sie seit vier Wochen bestehende Blutungen. Der Pap-Abstrich ergab den Befund IIIe (abnormale endometriale Zellen mit atypischer Veränderung, weitere klinische Kontrollen, ggf. mit histologischer Abklärung erforderlich). Bei der im Intervall zunächst erfolgten Kontrolle zeigte sich ein großer, aus dem Muttermund ragender CK-Polyp, der zuvor noch nicht zu sehen gewesen war. Auch ein Abstrich wurde erneut genommen, der sich aber erst nach dem streitauslösenden Gespräch der Parteien als PAP IIa, unauffällig, herausstellte. Das noch vor dem Abstrichergebnis geführte Gespräch war für die Patientin Anlass, der Ärztin eine „Fehldiagnose“ vorzuwerfen und das „Schüren von Krebsangst“. Laut Dokumentation und Vortrag der Gynäkologin habe sie dabei lediglich auf Frage der Patientin fachgerecht und umfassend erklärt, dass Polypen in der Regel zwar gutartig wären, endgültige Sicherheit aber nur eine feingewebliche Untersuchung bringen könne, wofür eine Hysteroskopie und Ausschabung erfolgen müssten. Die Klägerin ging hingegen sofort vom Schlimmsten aus und befürchtete eine Entfernung der Gebärmutter, da die Ärztin angeblich keine Zweifel an einer schweren Erkrankung gelassen habe. Zwar sei nie das Wort Krebs gefallen; alles was gesagt worden sei, habe aber darauf hingewiesen. Durch die „Fehldiagnose“ sei sie zu Tode erschreckt und leide unter Schockreaktionen, Panik und Todesangst. Noch acht Monate später weise sie Ängste, Depressionen, Schlaflosigkeit, Konzentrations- und Magenbeschwerden sowie Kopfschmerzen und Schwindelanfälle auf. Zudem habe sie ihr Vertrauen in Ärzte verloren und sei wohl dauerhaft traumatisiert.

So sah das Gericht den Fall

Die Klage auf Schmerzensgeld wurde nach Anhörung der Parteien ohne Gutachten abgewiesen (AG Aachen, Urt. v. 28.4.2017, Az. 115 C 396/16). Berechtigte Ansprüche sah das Gericht nicht, wobei es für die vorsitzende Richterin nicht einmal darauf ankam, ob der Beklagten überhaupt eine Fehleinschätzung vorgeworfen werden könne. Zumindest sei kein kausaler Schaden entstanden. Schließlich habe sich die Klägerin letztlich weder einer Hysterektomie noch Ausschabung unterzogen. Angeblich überflüssige, da unvertretbare Maßnahmen seien also gar nicht erfolgt. Das Gericht war zudem überzeugt, dass der Patientin nicht erklärt wurde, dass auf jeden Fall Krebs vorliege, und dass eine Gebärmutterentfernung nicht als zwingende, sondern allenfalls mögliche Folge maligner Befunde erwähnt wurde. Die Ärztin habe dies aber zum einen nur auf Nachfrage erwähnt und zum anderen erst vom Ergebnis weiterer Untersuchungen, vor allem einer Ausschabung, abhängig gemacht. Soweit die Patientin vortrug, es sei ihr vorgekommen, als müsse ihre Gebärmutter auf jeden Fall entfernt werden und sie sei an Krebs erkrankt, mag ein Missverständnis vorliegen. Dies allein rechtfertige aber kein Schmerzensgeld. Der Beklagten dürfe nicht vorgeworfen werden, wenn sie – erst recht auf Nachfrage – über mögliche Folgen hypothetischer Befunde ausführlich aufkläre. Vielmehr sei sie dazu verpflichtet. Wenn die Patientin dann allein schon aufgrund der Möglichkeit einer Erkrankung mit Angst und Schock reagiere, wobei diese Umstände natürlich streitig waren, sei dies jedenfalls nicht der Ärztin zuzurechnen

Was bedeutet das Urteil für den klinischen Alltag?

Der Fall zeigt, dass man es als Arzt nicht leicht hat. Denn selbst bei fachgerechtem Verhalten und vielleicht sogar besonders gewissenhafter, ausführlicher Aufklärung kann man sich plötzlich Vorwürfen ausgesetzt sehen. Trotzdem schlägt man sich lieber – auch forensisch gesehen – mit einem solch eher skurrilen, wenn auch für die Ärztin ärgerlichen Fall herum. Denn dieser bietet von vornherein nur ein geringeres Haftungspotenzial als eine Patientin, die aus falsch verstandener Schonung nicht ausreichend aufgeklärt wurde, und später pflichtwidrig unterlassene, weitere Befunderhebungen rügt, die in der Tat vielleicht eine maligne Erkrankung hätten aufdecken können.