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„Nieder mit dem Abtreibungs-Paragraphen!“, 1924, Käthe Kollwitz (1867–1945)

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Käthe Kollwitz war Malerin, Grafikerin und Bildhauerin. Und in allen drei Disziplinen war sie erfolgreich. Stilistisch wird sie häufig dem Expressionismus zugeordnet, doch es finden sich in ihren Arbeiten auch starke realistische Einflüsse. Insgesamt bemühte sie sich stets um einen sehr persönlichen Stil, in den auch ihre eigene Lebenserfahrung einfloss.

Käthe Kollwitz gehörte niemals einer Partei an, bekannte sich aber — wie viele Intellektuelle ihrer Zeit — zum Sozialismus. Auch für pazifistische Ideen engagierte sie sich. Dabei spielten ebenfalls persönliche Erlebnisse eine Schlüsselrolle. Der einzige Sohn von Käthe Kollwitz war im ersten Weltkrieg gefallen, zu dem er sich freiwillig gemeldet hatte. Seinen Tod hat die Künstlerin nie verwunden. Ihr Plakat „Nie wieder Krieg“ gehört wohl zu ihren bekanntesten Arbeiten und wurde noch Jahrzehnte später bei den großen Friedensdemonstrationen der 1980er-Jahre verwendet.

Etwas weniger bekannt, aber nicht weniger ausdrucksvoll, ist ihr Plakat „Nieder mit dem Abtreibungs-Paragraphen“, das sie 1924 für die KPD schuf. In den 1920er-Jahren, in denen es bis auf Kondome keinerlei Verhütungsmittel gab, waren ungewollte Schwangerschaften und Abtreibungen ein Massenphänomen. Ganz besonders galt dies für die Arbeiterklasse und sozial unterprivilegierte Schichten.

„Wenn das zweite und dritte Kind kommt, beginnt das Elend. Der Lohn reicht nicht mehr ... Bereits im Mutterleib hungert der kleine Proletarier“ hieß es in einer kommunistischen Zeitung. Genau diese Misere bringt Käthe Kollwitz hier mit wenigen Strichen zu Papier. Sie verwendet dazu bewusst die Technik der Kohlezeichnung. Schnell, einfach, ausdrucksstark — „the medium is the message“.

Käthe Kollwitz war ein Mensch voller Selbstzweifel. Auch voller Zweifel an der eigenen Kunst. „Freilich reine Kunst ist meine nicht. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind“, schreibt sie in ihr Tagebuch. Heute sind ihre schlichten und doch so ausdrucksvollen Zeichnungen längst Teil des kollektiven Gedächtnisses. Die repräsentativen Monumentalschinken der damaligen „Malerfürsten“ sind dagegen weitgehend in den Depots verschwunden.

Gut so!