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„Seltsamerweise glauben immer noch viele Menschen, unter ihnen auch Ärzte, Altern gilt als Schicksal.“

Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk Leiter der Gynäkologie an der Schön Klinik Nürnberg/Fürth und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging Medizin (GSAAM)

Wer ein Auto kauft, der weiß, dass dieses nicht ewig hält. Er weiß aber auch, dass er auf die Haltbarkeit durchaus Einfluss nehmen kann. Je nachdem, wiegut man es pflegt, ob man es regelmäßig in die Inspektion bringt, ob man auch einmal teureres Motorenöl kauft — all das beeinflusst den Zeitraum, in dem sich das Gefährt nutzen lässt. Das braucht man keinem Autobesitzer zu erklären, das ist selbstverständlich.

Seltsamerweise glauben aber immer noch viele Menschen, unter ihnen auch Ärzte, beim menschlichen Organismus sei dies anders. Da gilt Altern immer noch als Schicksal. Als wenn es nicht auch hier darauf ankäme, was ich in die Pflege des Organismus investiere, ob ich regelmäßig zur Vorsorge gehe und welches Speiseöl ich verwende. Wobei immer wieder bemerkenswert ist, dass die meisten Menschen sehr viel mehr Geld für ein teures Motorenöl ausgeben als für ein hochwertiges Olivenöl. Aber es gibt auch Zeichen für ein Umdenken. In den letzten Jahren ist unser Verständnis der allgemeinen und insbesondere der molekularbiologischen Grundlagen des Alterungsprozesses enorm gewachsen. Und aus diesem Verständnis ergeben sich immer mehr konkrete Möglichkeiten, Altern gezielt zu beeinflussen.

Grundlage für ein gesundes Altern ist immer noch ein gesunder Lebensstil, vor allem eine ausgewogene Ernährung. Der Beitrag von Thomas M. Platzer gibt einen aktuellen Überblick über das, was man heute als „Anti-Aging-Diät“ bezeichnen kann. Gerade in der Gynäkologie galt die Hormonsubstitution lange Zeit als eine Art „endokriner Jungbrunnen“. Nach dem Schock der WHI-Studie, die dieses nachdrücklich infrage stellte, war in den letzten Jahren eine „Renaissance der Hormonersatztherapie“ unübersehbar. Neueste Studien, die Kathrin Schaudig in ihrem Beitrag vorstellt, relativieren allerdings wieder allzu große Hoffnungen auf die präventivmedizinischen Wirkungen einer HRT. Das Thema wird uns sicherlich noch lange beschäftigen. Für mich unverständlich ist jedoch, dass aktuelle HRT-Studien immer noch mit oralen equinen Östrogenen durchgeführt werden, wo die Überlegenheit der transdermalen körperidentischen E2-Substitution inzwischen mehr als gut belegt ist. Es gibt aber nicht nur Anti-Aging, es gibt auch Pro-Aging-Hormone. Dazu gehört etwa das Stresshormon Cortisol. Die Stressmedizin wird ein immer wichtigerer Bestandteil der Präventiv- und Anti-Aging Medizin. Nun ist Stress zwar in aller Munde, er lässt sich aber nur schwer messen und objektivieren. Auch das ändert sich jetzt. Das von Alfred Lohninger vorgestellte Verfahren zur Messung der Herzratenvariabilität erlaubt erstmals eine praxistaugliche Diagnostik von Stress und Burn-Out Syndromen. Das Verfahren ist auch für Gynäkologen interessant und nachvollziehbar. Wir alle kennen das Phänomen der Herzvariabilität aus der CTG-Beurteilung. Und von daher wissen wir, die Einengung der Frequenz bedeutet: Der Fet ist im Stress. Offensichtlich ändert sich das im Erwachsenenalter nicht.

Womit wir bei einem weiteren Aspekt wären. Wann sollte eine Anti-Aging-Therapie beginnen? Die Antwort lautet: Am besten bereits im Mutterleib. Neue Erkenntnisse der Epigenetik belegen, wie wichtig die intrauterine „fetale Programmierung“ nicht nur für Schwangerschaft und Geburtsverlauf ist. Vielmehr wird die Gesundheit des werdenden Kindes bis in sein spätes Erwachsenenalter während dieser entscheidenden Phase geprägt. Die Lebensstilberatung der Schwangeren wird damit zu einer ersten „Anti-Aging-Beratung“. Dem Gynäkologen als präventivmedizinisch ausgerichteten Facharzt kommt auch dabei eine Schlüsselrolle zu. Grund genug, dem Thema Prävention und Anti-Aging eine Schwerpunktausgabe zu widmen.

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