Die ärztliche Dokumentation ist Dreh- und Angelpunkt jedes Haftungsprozesses, weshalb immer wieder darüber gestritten wird, wie detailliert sie zu handhaben ist. Würde aber ein Dokumentationsmangel überhaupt automatisch zur Haftung führen?

Ein Kläger, der sich regelmäßig zum Hautcheck vorstellte, kam im August 2018 außerhalb der Reihe, um einen Leberfleck auf seinem Bauch untersuchen zu lassen. Die Hautärztin ging von einem gutartigen Befund (Hämangiom) aus, vereinbarte aber trotzdem eine vorsorgliche Kontrolle in drei Monaten. Hier wurde der Fleck doch entfernt und histopathologisch aufbereitet, wobei er sich als „nodulär malignes Melanom“ erwies. Aufgrund der Größe fand noch eine Nachexzision statt, bei der in einem Lymphknoten leider bereits eine Metastase festgestellt wurde.

So sah das Gericht den Fall

Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden wies die Berufung des Patienten zurück, die er gegen die schon erstinstanzliche Klageabweisung eingelegt hatte. Der Patient rügte eine Fehldiagnose und fehlerhafte Sicherungsaufklärung, Dokumentationsmängel sowie Befunderhebungsfehler (Urt. v. 26.3.2024, 4 U 1718/ 23). Einen Befunderhebungsfehler bezüglich der behaupteten Unterlassung, ein Auflichtmikroskop im Rahmen der Untersuchung verwendet zu haben, da es nicht explizit in der Dokumentation genannt wurde, sahen die Gerichte nicht als erwiesen. Tatsächlich hätte man darin ein Fehlverhalten sehen können, die Anhörung der Ärztin hatte aber glaubhaft ergeben, dass wie immer auch damit untersucht worden war. Konsistent schilderte sie in beiden Instanzen, dass sie ein Dermatoskop im Arbeitsalltag stets in der Kitteltasche habe und ohne gar keine Diagnose stellen könne. Daher stelle sie auch im privaten Umfeld - ohne solches - nicht eben mal schnell Diagnosen. Zudem verwies sie auf Ziffer 32045 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) in der Abrechnung, die zum Tragen komme, wenn die Verwendung des Dermatoskops nicht schon Bestandteil anderer Ziffern (z. B. Hautkrebsscreening) sei. Selbst der Kläger hatte im Übrigen von einer „großen Lupe“ gesprochen, was die Ärztin zwar bezüglich „Lupe“ verneinte, aber so zumindest mittelbar ebenso ihre Erwiderung stützte. Angesichts dieses Beweisergebnisses konnte dahinstehen, ob die Verwendung des Dermatoskops hätte notiert werden müssen, da auf jeden Fall die aus § 630h Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - vielleicht - folgende Vermutung einer vermeintlich unterbliebenen Maßnahme widerlegt war.

Weiteres war damit auch nicht (mehr) angezeigt, weil gutachterlich bestätigt eindeutige Malignitätszeichen fehlten. Wobei die Ärztin abermals glaubhaft darlegte, solche nicht gesehen zu haben, die sie sonst notiert und zum Anlass für eine andere Reaktion genommen hätte. Zudem habe sie nicht bloß den Verdacht eines gutartigen Befunds gehabt, sondern sei wirklich davon ausgegangen, dass es sich „nur“ um ein thrombosiertes Hämangiom oder eine seborrhoische Keratose handle. Die Kontrolle sei daher auch nicht als Notwendigkeit, sondern nur vorsorglich vereinbart worden, um dem Kläger Sicherheit zu geben. Die am Ende falsche Diagnose war schließlich auch kein Haftungsgrund. Sie erwies sich zwar als Irrtum, das kommt in der Medizin aber zwangsläufig vor und ist eben nicht immer Folge vorwerfbaren Verhaltens, da Symptome nicht immer eindeutig sind, sondern auf verschiedenste Ursachen hinweisen können (BGH, Urt. v. 8.7.2003, Az. VI ZR 304/02). Gemessen daran war eine vertretbare Deutung auf Grundlage einer ausreichenden Befunderhebung erfolgt, sodass im Weiteren gleichermaßen keine andere Sicherungsaufklärung zur früheren histologischen Sicherung geboten war.

Bedeutung für den Alltag

Die Frage, wie detailliert der Einsatz des Dermatoskops zu notieren war, musste folglich hier gar nicht mehr entschieden werden, da die Beklagtenseite dessen Anwendung schlicht anderweitig bewiesen hatte. Sonst wäre aber wohl noch einzuwenden gewesen, dass nicht stets uferlos immer alles bis ins letzte Detail dokumentiert werden muss, zumal primärer Zweck der Dokumentation eben nicht die Klärung von Haftungsprozessen ist. Sie dient vielmehr dem therapeutischen Interesse von Patienten, indem anhand ihrer, zum Beispiel bei Behandlungsübernahme, der bisherige Verlauf im Wesentlichen nachvollziehbar sein muss. Daraus schließt die Rechtsprechung auch mitunter, dass deshalb nicht jeder einzelne, vor allem routinemäßige Schritt und jede Selbstverständlichkeit aufgeschrieben werden muss. Dennoch gilt: Wer schreibt, der bleibt, und eine kurze Notiz über die Anwendung des Dermatoskops hätte (vielleicht) den Prozess schon im Keim erstickt.