Im Rahmen der Behandlung von Patienten sind selbst im ambulanten Bereich meist mehrere Ärzte zugleich oder nacheinander beteiligt, was ebenso Weiterbildungsassistenten einschließt. Wer haftet in solchen Fällen innerhalb einer Praxis für wen und wann?

Eine Patientin forderte von Erben verstorbener Dermatologen, die in einer Gemeinschaftspraxis tätig waren, und vormals drei dort beschäftigten Weiterbildungsassistenten (WBA) Schadensersatz. Sie hatte sich auf Rat ihrer Hausärztin im Juni 2010 in der Praxis für ein Hautscreening zur Kontrolle von Muttermalen vorgestellt. Ein akuter Handlungsbedarf sei laut Patientin von der ersten WBA bezüglich eines „harmlosen kosmetischen Mangels“ hinter dem Ohr nicht gesehen worden. Bei Wiedervorstellung im März 2012 habe der zweite WBA auch nur gesagt, dass kein Anlass zur Sorge bestehe und eine Biopsie oder Exzision zwar möglich sei, dies aber in erster Linie kosmetischer Verbesserung diene. Über die genaueren Inhalte der Gespräche stritten die Parteien.

Das fragliche Muttermal wurde erst im März 2013 exzidiert. Die Histologie zeigte ein noduläres malignes Melanom mit Tumoreindringtiefe von 1,9 mm. Als Folge der Verzögerung waren nach Ansicht der Patientin 2018 ein malignomsuspekter Lymphknoten und Metastasen in einer Vielzahl von Organen festgestellt worden, die eine Immuntherapie mit starken Nebenwirkungen nach sich zogen, unter anderem eine Polyneuropathie mit erheblichen Schmerzen und Gangstörung. Zusätzlich traten ein beidseitiger Hörsturz sowie eine Vergrößerung der Hirnanhangdrüse auf, ein vergrößerter Lymphknoten bedingte 2019 eine Gallengangstenose, die einen Stent erforderte. Zudem traten eine eitrige Cholangitis und Hepatitis auf. Wegen einer nur noch palliativ möglichen Behandlung bestand bei der Patientin Erwerbsunfähigkeit bei Pflegegrad 4.

So sah das Gericht den Fall

Das Landgericht Köln gab der Klage gegen die Erben und zwei WBA statt; abgewiesen wurde sie nur gegen die dritte WBA, die nicht in die Behandlung eingebunden war (Urt. v. 7.3.2023, Az. 3 O 125/20). Das Gericht ging von Behandlungsfehlern der WBA aus, da sie mit Blick auf ein, laut Gutachten schon initial mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegendes Melanom (rückwirkend schon mit 0,4 mm bis 1 mm erachtet), keine Probeexzision veranlassten. Dass die erste WBA eine solche Möglichkeit nicht genannt hatte, folgte insoweit schon aus dem Umstand, dass das Vorliegen eines überhaupt abklärungsbedürftigen Befundes für Juni 2010 noch im Prozess ganz in Abrede gestellt wurde.

Zu Lasten der Beklagten griff im Übrigen dann eine Beweislastumkehr gemäß § 630h Absatz 5 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da laut Gutachter auch noch mit völlig überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen gewesen wäre, dass eine Probeexzision schon 2010 ein reaktionspflichtiges Ergebnis erbracht hätte und eine Nichtreaktion darauf schlicht grob fehlerhaft gewesen wäre. Infolgedessen wurden alle genannten Belastungen der Patientin rechtlich als Folge dieses Fehlers gewertet und rechtfertigten unter anderem für das Gericht ein Schmerzensgeld von 120.000 €. Der zweite WBA hatte aus Sicht des Gutachters ebenfalls grob fehlerhaft gehandelt, zumal er angesichts einer sich schon in der Dokumentation als „verändernd“ festgehaltenen Hautveränderung eine Malignität weiterhin nicht ausreichend in Betracht zog.

Was bedeutet das Urteil für den klinischen Alltag?

Der ersten WBA wurde mithin haftungsrechtlich „zum Verhängnis“, dass ein vermeintlich nur kosmetisch unauffälliges Muttermal angesichts der später gesicherten Befundlage so nicht vorgelegen haben konnte. Dem zweiten WBA - wie so oft in Haftungsfällen - wurde hingegen eine vor allem unzureichende Dokumentation zum Verhängnis, da der streitige Hinweis auf Möglichkeiten einer zumindest auch malignen Erkrankung und eine dann aber dringliche Abklärungsbedürftigkeit nicht dokumentiert war. Die Erben der verstorbenen Praxisinhaber hafteten damit als solche gemäß § 1967 Absatz 1 BGB, da die Dermatologen sich ihrerseits Versäumnisse der WBA als Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB zurechnen lassen mussten und folglich wegen Verletzung des Behandlungsvertrages hafteten.

Nur die gegen die dritte WBA gerichtete Klage war abzuweisen, da sie zu keiner Zeit involviert war, somit ihre deliktische Haftung nach § 823 BGB ausschied, und sie als bloße angestellte Ärztin mangels sonstiger Anspruchsgrundlagen nicht für Fehler der anderen Beklagten haften musste.