Die Emberá in Südamerika pflegen eine jahrhundertealte Tradition der Körperbemalung. Die blauschwarzen Muster sehen Tätowierungen zum Verwechseln ähnlich und haben nicht nur ästhetische Funktion.

Die Emberá lebten einst halbnomadisch als Jäger und Sammler im tropischen Regenwald Südamerikas. Bis in die 1970er-Jahre war das indigene Volk im Darién Gap beheimatet - der Grenzregion zwischen Panama und Kolumbien. Waldrodung, Landnahme durch Siedler und der Bau von Staudämmen ließen die Emberá zunehmend in andere Gebiete Panamas und Kolumbiens ausweichen.

Nach langen Bemühungen konnten die Emberá in den 1980er-Jahren einen halbautonomen Status für ihre Stammesgebiete in Panama durchsetzen. Soweit als möglich bewahren sie ihre traditionelle Lebensweise, haben sich jedoch teilweise auch für den Tourismus geöffnet.

figure 1

© S. Rocker / blickwinkel / picture alliance

Emberá-Frauen tragen Körperbemalung aus Jagua-Tinte auf.

Die Kraft der Jagua-Frucht

Eine Tradition der Emberá ist die Bemalung ihrer Körper mit einem Extrakt aus der Frucht der Genipa americana, auch Jagua oder Jenipapo genannt. Viele Völker Süd- und Mittelamerikas nutzen diesen in den Regenwäldern beheimateten Baum seit Jahrhunderten für verschiedene Zwecke.

Die dickschalige Frucht von der Größe eines Apfels ist reich an Eisen, Kalzium, Kohlenhydraten und den Vitaminen B1, B2, B5 und C. Sie lässt sich roh verzehren oder zu Kompott, Marmeladen, Eis und Getränken verarbeiten.

Die Pflanze wird aber auch für ihre entzündungshemmenden, antibiotischen, harntreibenden und abführenden Eigenschaften geschätzt. Alle Pflanzenteile haben medizinische Wirkung. Die Rinde von Stängel und Wurzel dient der Herstellung eines Abführmittels sowie zur Linderung von Prellungen und Verstauchungen. Aus den Blättern wird ein Aufguss gegen Durchfall und Syphilis, aus den Blüten ein fiebersenkendes Mittel gewonnen. Der Saft der unreifen Frucht dient unter anderem als Sonnenschutzmittel, zur Behandlung von Hautinfektionen, Augenerkrankungen sowie Vaginalinfektionen oder Gebärmutterkrebs. Da die Inhaltsstoffe der Jagua-Frucht Insekten abwehren, dient sie auch der Malariaprophylaxe. Die reife Frucht wird zudem gegen Asthma, Lebererkrankungen, Diabetes oder Osteoporose eingsetzt. Nicht zuletzt sagt man ihr auch gute Erfolge bei der Behandlung von Bluthochdruck, hohem Cholesterinspiegel und Alzheimer nach.

Temporäre Körperkunst

Mehrere Völker im Amazonasgebiet verwenden den Saft der Genipa americana zur Körperverzierung. Zur Herstellung der Farbe wird die unreife Frucht geraspelt und der daraus gewonnene Saft gekocht. Zunächst von grauer Farbe, verfärbt sich die Flüssigkeit bei Kontakt mit der Luft über mehrere Tage zu einem immer dunkleren, schließlich blauschwarzen Ton hin. Die blauschwarze Färbung geht auf die chemische Verbindung Genipin zurück, die auch für die pharmakologische Wirkung verantwortlich ist. Da das Pigment nur auf die äußeren Schichten der Haut einwirkt, verschwindet die Bemalung nach etwa zehn Tagen aufgrund der Hauterneuerung.

Mehrere Stämme verwenden die Farbe für medizinische und religiöse Rituale oder auch zur Tarnung. Die Cunas in Panama etwa gehen davon aus, dass einen Jagua-Farbe vor bösen Geistern verbirgt. Andere Stämme färben ihre Fußsohlen schwarz, um für Schlangen unsichtbar zu werden.

Bei den Emberá war die Bemalung mit Jagua-Farbe ursprünglich den Medizinmännern oder -frauen vorbehalten. Die Muster sollten der Heilung und der Herstellung spiritueller Verbindungen dienen. Um diese Verbindung auch angesichts heutiger erschwerter Lebensbedingungen zu ermöglichen, steht die Praxis der Bemalung mittlerweile jedem offen.