Gerade bei Immunglobulin-E(IgE)-vermittelten Erkrankungen mit sehr niedrigem spezifischem und Gesamt-IgE ist die Lage nicht einfach zu bewerten. Daten hierzu gäbe es nicht sehr viele und so seien seine Ausführungen auch eher ein Brainstorming, dessen Schlussfolgerungen diskutiert werden könnten, erklärte Dr. Paolo M. Matricardi, Berlin, zu Beginn seines Vortrags.

Er hielt fest, dass mehr IgE nicht immer auch mehr Allergie bedeute. Selbst niedrige IgE-Level könnten mit einer Anaphylaxie durch Kuhmilch oder andere Lebensmittel assoziiert sein [Giannetti A et al. Eur Ann Allergy Clin Immunol 2014;46:49-52]. Auch in einer Untersuchung bei 100 Kindern mit saisonaler allergischer Rhinitis konnten in sieben Fällen bei niedrigem spezifischem und niedrigem Gesamt-IgE große Quaddeln im Pricktest nachgewiesen werden, wohingegen dies in einem Fall mit einem hohen Gesamt-IgE-Level nicht möglich war.

Wir müssten die Komplexität dieser Dinge verstehen, so Matricardi. Es sei nicht nur die Konzentration der IgE-Antikörper klinisch relevant, auch andere Parameter müssten berücksichtigt werden. So wurde unter anderem bereits 2008 berichtet, dass unterschiedliche Eigenschaften des IgE-Repertoires wie die klonale Diversität und die Affinität die Degranulation von Basophilen und Mastzellen als Reaktion auf eine Allergenbelastung bestimmen [Christensen LH et al. J Allergy Clin Immunol 2008; 122:298-304].

Ebenso spiele das Verhältnis zwischen allergenspezifischem IgE und Gesamt-IgE eine bedeutende Rolle. Der große Einfluss der spezifischen Aktivität auf die Aktivierung von Effektorzellen wurde unter anderem bei Kindern mit einer Erdnussallergie nachgewiesen [Hemmings O et al. J Allergy Clin Immunol 2021;148:495-505].

Populationsbasierte Normbereiche für den Gesamt-IgE-Spiegel im Serum könnten zu Fehlinterpretationen führen, so Matricardi. Ist der Gesamt-IgE-Spiegel daher nutzlos? Seine persönliche Meinung lautet: Bei einem klinischen Bild mit Verdacht auf eine IgE-vermittelte Allergie, das mit sehr niedrigen spezifischen IgE-Spiegeln im Serum kontrastiert, sollte das Gesamt-IgE zur Messung der spezifischen Aktivität untersucht werden. Wenn das Gesamt-IgE ebenfalls niedrig ist, dann ist das spezifische IgE höchstwahrscheinlich relevant, auch wenn es niedrig ist.

Es stellt sich die Frage, ob für Personen mit sehr niedrigen IgE-Leveln besondere Kriterien erforderlich sind und solche formuliert werden können. Gerade bei dieser Gruppe seien In-vivo-Tests wie Prick- oder Provokationstests sehr wichtig, wenn nicht sogar unentbehrlich, betonte Matricardi.

Matricardi PM. IgE-vermittelte Erkrankungen mit sehr niedrigem spezifischen IgE und Gesamt-IgE. 18. Deutscher Allergiekongress, Bonn, 16. September 2023