Bei den Medikamentenreaktionen sind vermutete Allergien auf β-Laktam-Antibiotika (BLA) nach wie vor ein großes Problem. BLA wie Penicillin sind einerseits die erste Wahl für die Behandlung zahlreicher bakterieller Infektionskrankheiten, andererseits sind BLA aber auch die häufigsten Auslöser von Medikamentenallergien. Schon beim vagen Verdacht auf eine BLA-Allergie werden Betroffene als allergisch auf BLA gelabelt und erhalten in der Folge oft Antibiotika zweiter Wahl und zunehmend auch Reserveantibiotika, was das Problem der Resistenzentwicklung befeuert. Das ist nur einer von vielen Gründen, aus denen es wichtig ist, Personen, bei denen nur der vage Verdacht auf eine BLA-Allergie besteht, möglichst zu "delabeln", erklärte Prof. Christiane Bayerl, Wiesbaden. Als Beispiel führte sie die Penicillin-Allergie an, von der rund 10 % der deutschen Gesamtbevölkerung vermuten, sie zu haben. Jedoch ist wohl nur 1 % der Bevölkerung wirklich allergisch auf Penicillin, da sich in der Allergiediagnostik der Allergieverdacht auf dieses BLA selten bestätigt [Klimek L et al. Dtsch Arztebl 2022;119:A-868/B-717]. Würden alle Verdachtsfälle konsequent delabelt, könnten somit etliche Reserveantibiotika eingespart werden. Das Hauptproblem hierbei ist der enorme Aufwand der Allergiediagnostik, die - je nach Klinik der vermuteten allergischen Reaktion - neben klassischen ambulant durchgeführten Testungen auch stationäre Expositions- und eventuelle Ausweichtestungen umfasst. Diese können in einer allergologischen Klinik bei maximal fünf bis zehn Personen pro Woche durchgeführt werden, wie Bayerl einräumte.

Aus diesem Grund kommen regelmäßig Vorschläge, wie das Delabeling knapper gefasst und beschleunigt werden kann. Für den Verdacht auf eine Penicillin-Allergie stellte Bayerl ein anamnestisches "FAST-Schema" vor, das für Erwachsene seit zwei Jahren getestet wird und mit einem Prädiktionswert von 97 % ihrer Ansicht nach zuverlässig sei [Trubiano JA et al. Allergy 2022;77:1038-42]: fünf Jahre oder weniger seit der Reaktion ("F"; 2 Punkte), entweder Anaphylaxie/Angioödem oder schwere Hautreaktion ("A" oder "S"; je 2 Punkte), Therapie/Behandlung wegen Reaktion erforderlich ("T"; 1 Punkt). Wenn gemäß diesem FAST-Schema weniger als drei Punkte erreicht werden, bewegt man sich im niedrigen Risikobereich für schwere allergische Reaktionen. Das heißt, man kann mit dem Delabeling und der Penicillin-Exposition "drauf loslegen, sobald ein Patient in die Klinik muss und ein Penicillin braucht, egal, in welchem Fach er landet", sagte Bayerl. Davon ausgenommen sind natürlich Notsituationen wie eine Sepsis, betonte die Allergologin. In solchen Fällen muss man auf Ausweichpräparate zurückgreifen, bei vermuteter Penicillin-Allergie beispielsweise auf Carbapeneme und Aztreonam, bei denen die Wahrscheinlichkeit für Kreuzreaktionen gering beziehungsweise sehr gering ist. Für die Entscheidung, welche Antibiotika alternativ eingesetzt werden können, sind übersichtliche Schemata hilfreich, zum Beispiel jene aus der S2k-Leitlinie zur Diagnostik bei Verdacht auf BLA-Überempfindlichkeit [Wurpts G et al. Allergo J Inter 2019;28:121-51].

Bayerl C. Medikamenten- und Kontaktallergien. Allergo Update 2023.