Schweizer Forschende haben eine Hypothese entwickelt, die erklären soll, weshalb Allergien und Autoimmunerkrankungen in den vergangenen Jahrzehnten so stark zugenommen haben. Eine Schädigung der epithelialen Barriere steht dabei im Zentrum.

Das Epithel bildet die Grenzfläche, die das Innere des menschlichen Körpers von der Außenwelt trennt - und ist gleichzeitig die primäre Kontaktfläche, an der dieses Außen den Körper berührt. Für körperliche Struktur und funktionale Integrität spielt die epitheliale Barriere eine maßgebliche Rolle, sie schirmt ab gegen die Invasion von Pathogenen und gegen die Infiltration fremder Substanzen.

Ein Forschungsteam aus der Schweiz hat ein Konzept entwickelt, wonach Schäden der epithelialen Barriere, also der obersten Schicht von Haut und Schleimhaut, wesentlich an der Zunahme von Allergien und Autoimmunleiden beteiligt sind. Demnach machen schädigende Einflüsse und genetische Defekte das Epithel löchrig, wodurch Mikroorganismen in inter- und subepitheliale Bereiche vordringen und Immunreaktionen und systemische Inflammation auslösen. Dysbiose und reduzierte Biodiversität sind die Folge, opportunistische Pathogene siedeln sich an, es kommt zu chronischer Entzündung und Öffnung der Barrieren von Haut und Mukosa, die Fähigkeit zur Heilung des Epithels wird beeinträchtigt, epigenetische Signaturen der epithelialen Stammzellen verändern sich und der Teufelskreis beginnt von vorne. In der Studie weisen die Forschenden darauf hin, dass seit 1960 mehr als 200.000 neue Chemikalien in unseren Alltag eingeführt worden sind, die den Teufelskreis mit in Schwung gebracht hätten.

Die defekte epitheliale Barriere steckt nach Ansicht des Forschungsteams auch hinter allergischen Erkrankungen wie atopischer Dermatitis, Asthma bronchiale, chronischer Rhinosinusitis und eosinophiler Ösophagitis. Indem Allergene die Barriere zu passieren vermögen, werden lokale und systemische, Interleukin- und Immunglobulin-E-vermittelte Entzündungen gefördert.

Fazit: Laut den Studienautorinnen und -autoren gibt es eindeutige Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen undichten Stellen in der epithelialen Barriere, allergischen- sowie Autoimmunerkrankungen, die sich systemisch auswirken können. Damit neue Strategien zur Vorbeugung und Behandlung solcher Erkrankungen entwickelt werden können, sei es den Forschenden zufolge entscheidend, dass in weiteren Studien jene zugrundeliegenden Mechanismen entschlüsselt werden, welche an der Störung der Epithelschranke beteiligt sind.

Yazici D et al. Epithelial barrier hypothesis and the development of allergic and autoimmune diseases. Allergo J Int 2022;31:91-102