Ob die maximale Wirkung einer Immuntherapie erreicht wird, scheint auch davon abzuhängen, zu welcher Tageszeit sie gegeben wird. Auch die Zellen des Immunsystems folgen einer zirkadianen Rhythmik.

Die "innere Uhr", mit der physiologische Vorgänge an einen 24-Stunden-Rhythmus angepasst werden, beeinflusst auch die Funktion des Immunsystems. US-amerikanische Onkologen haben nun die zirkadianen Effekte der Immuncheckpointinhibitor-Therapie in einer Längsschnittstudie mit Melanompatienten ihrer Klinik untersucht. Zwischen 2012 und 2020 waren 299 erwachsene Patienten mit Stadium-4-Melanomen mit Ipilimumab, Nivolumab oder Pembrolizumab behandelt worden. Die im Mittel 61 Jahre alten Patienten wurden median 27 Monate lang nachbeobachtet.

Ein Viertel von ihnen hatte mindestens 20 % der Infusionen nach 16:30 Uhr ("abends") erhalten. Diese Patienten hatten deutlich schlechtere Überlebenschancen als Patienten mit einem geringeren Anteil von abendlichen Infusionen. Um auszuschließen, dass die kürzeren Überlebenszeiten auf den Einfluss anderer prognoserelevanter Faktoren zurückgingen, wurden jeweils 73 Patienten mit weniger als 20 % sowie mit mindestens 20 % Abendinfusionen ausgewählt, die bezüglich Tumoreigenschaften und Radiotherapie vergleichbar waren (Propensity-Score Matching). Auch in dieser Analyse erwies sich der höhere Anteil abendlicher Infusionen als Nachteil: Das mediane Gesamtüberleben betrug 4,8 Jahre, während es in der Vergleichsgruppe noch nicht erreicht war. Das Risiko, im Beobachtungszeitraum zu sterben, war damit bei einem mindestens 20%igen Anteil von Infusionen nach 16:30 Uhr doppelt so hoch wie bei einem geringeren Anteil. Zu einem fast identischen Ergebnis - einer 1,8-mal so hohen Gesamtmortalität - kam eine multivariable Analyse der Gesamtgruppe.

Von den Patienten, die mindestens 20 % der Infusionen abends erhielten, war außerdem nach einem Jahr ein geringerer Anteil noch ohne Progression am Leben. Sie hatten zudem seltener eine Komplettremission erreicht. Die Applikationszeit hatte dagegen keine Auswirkungen auf die Nebenwirkungen der Immuntherapie.

Fazit: Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die Vermeidung abendlicher Immuncheckpointinhibitor-Infusionen durch eine bessere Integration in die zirkadiane Rhythmik des Immunsystems das Gesamtüberleben verlängern kann. Angesichts einer Halbwertszeit der untersuchten Substanzen von 14 bis 24 Tagen sei ein solcher Effekt vielleicht nicht unbedingt zu erwarten, so die Studienautoren. Die komplexe Verteilungskinetik der Checkpointhemmer könne dafür jedoch eine Erklärung bieten.

Qian DC et al. Effect of immunotherapy time-of-day infusion on overall survival among patients with advanced melanoma in the USA (MEMOIR): a propensity score-matched analysis of a single-centre, longitudinal study. Lancet Oncology 2021; 22: 1777-86