Die mikrobielle Kolonisation zu Beginn des Lebens prägt das Immunsystem. Während die Besiedlung mit Kommensalen die Immuntoleranz fördert, provozieren Dysbiosen oder Infektionen eine Allergieneigung. Das gilt offenbar auch für die atopische Dermatitis.

Die Funktionalität des Immunsystems wird zu einem gewissen Teil durch die Mikrobiom-Immunsystem-Interaktion geprägt. Vor allem in der Kindheit, wenn die Reifung des Immunsystems stattfindet, ist der modulierende Einfluss der Mikroorganismen groß, und eine Fehlregulation mit Neigung zu allergisch bedingten Erkrankungen möglich. Bei der atopischen Dermatitis (AD) etwa spricht vieles für eine solche Interaktion. Daher haben Dermatologen aus Taiwan in einer bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studie - auf Basis der in der "National Health Insurance Research"-Datenbank gelisteten Patientenakten - untersucht, ob Infektionen in der ersten Lebensphase das AD-Risiko beeinflussen.

Jedem der mehr als 5.000 zwischen 1997 und 2013 registrierten AD-Patienten wurden jeweils drei Kontrollpersonen gegenübergestellt, die in den Kriterien Alter, Geschlecht, Indexzeitraum (drei oder sechs Monate vor AD-Diagnose) sowie Alter der Mutter bei der Geburt übereinstimmten. Die Kinder beider Gruppen waren im Mittel 2,6 Jahre alt. Bei rund der Hälfte war die AD vor dem zweiten Lebensjahr diagnostiziert worden.

Bei AD-Patienten waren anteilsmäßig insgesamt mehr Infektionskrankheiten, Hautinfektionen und Antibiotikabehandlungen dokumentiert worden als bei den Kontrollen (41,8 % vs. 28,9 %; 16,6 % vs. 9,5 %; 63,6 % vs. 47,9 %). Ein Trend, der in allen Altersgruppen (0 bis 1 Jahr, 1 bis 2 Jahre, > 2 Jahre) zu finden war.

In der Multivariatenanalyse bestätigten sich Infektionskrankheiten, Infektionen der Haut sowie systemische Antibiotikabehandlungen als unabhängige Faktoren für eine spätere AD, mit einer Risikosteigerung um 40 %, 55 % sowie 67 %. Auch bei selektiver Betrachtung der drei Altersgruppen blieb dieser Zusammenhang bestehen. Ebenfalls als unabhängige Risikofaktoren identifizierten die Dermatologen zudem Asthma (aOR 1,47), Invagination (aOR 1,49) und neonatale Hyperbilirubinämie (aOR 1,23). Geburtsmodus, Schwangerschaftskomplikationen oder eine atopische Erkrankung der Mutter hatten keinen Einfluss auf das AD-Risiko.

Fazit: Nicht nur frühe Infektionen, auch Antibiotikatherapien in den ersten Lebensmonaten begünstigen eine spätere AD-Manifestation. Schon frühere Untersuchungen hoben die Bedeutung der Mikroorganismenbesiedlung nach der Geburt für die Prägung des Immunsystems hervor und in Folge für die Prädisposition für Asthma, AD oder Nahrungsmittelallergien. Die Studienautoren sehen einen großen Forschungsbedarf auf diesem Gebiet und fordern, die Interaktion und deren Konsequenzen detailliert zu analysieren.

Lin TL et al. Early-life infections in association with development of atopic dermatitis in infancy and early childhood: A nationwide nested case-control study. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; https://doi.org/10.1111/jdv.17908