Zulassungsstudien sind die eine Sache. Doch wie sieht die Behandlung der Krebspatienten in der täglichen Praxis tatsächlich aus?

Seit 2019 werden adjuvant behandelte Melanompatienten in den Niederlanden im Dutch Melanoma Treatment Registry (DMTR) aufgenommen. Anhand dieser Daten haben Wissenschaftler vom Niederländischen Krebsinstitut die Therapien, Rückfälle und Toxizitätsraten der Melanompatienten außerhalb des klinischen Studiensettings dargestellt. Alle Patienten mit reseziertem Melanom Stadium III oder IV hatten eine adjuvante systemische Behandlung mit den PD-1-blockierenden Antikörpern Nivolumab oder Pembrolizumab erhalten. 367 Patienten konnten mindestens zwölf Monate nachbeobachtet werden.

Die Rate des rezidivfreien Überlebens ("recurrence-free survival", RFS) nach zwölf Monaten lag insgesamt bei 70,6 % und war abhängig vom Stadium: mit Stadium IIIA betrug die RFS-Rate nach zwölf Monaten 87,0 %, mit Stadium IIIB 76,5 %, mit Stadium IIIC 60,3 % und mit Stadium IV 69,1 %. Unter therapiebedingten Nebenwirkungen ≥ Grad 3 litten 18,3 % der Patienten. Am häufigsten war eine Kolitis/Diarrhö (25 %). 61,1 % brachen die Therapie mit den PD-1-Antikörpern vorzeitig ab. Als Gründe wurden Nebenwirkungen (18,0 %), Progression (17,4 %), "von Arzt und Patienten so beschlossen" (13,1 %) und ein schlechter klinischer Zustand des Patienten (1,1 %) angegeben.

Die Abbruchraten lagen in den vier Quartalen der einjährigen Therapie etwa gleich hoch: 15,8 % im ersten, 14,7 % im zweiten, 13,9 % im dritten und 16,6 % im vierten Quartal. Vor allem in den letzten drei Monaten der Behandlung wurde als Grund für die Beendigung der Therapie "von Arzt und Patient so beschlossen" angegeben.

Die RFS-Rate nach zwölf Monaten liegt in der Registerstudie mit 87 % für Stadium IIIA ähnlich hoch wie in den Zulassungsstudien (93,4 % in EORTC 1325/Keynote-054). Jedoch berichten die Wissenschaftler über höhere Raten an starken beziehungsweise ausgeprägten Nebenwirkungen (≥ Grad 3) und auffallend höhere Raten an vorzeitigem Behandlungsabbruch. Die Studienautoren registrierten rund 18 % Patienten, bei denen die Anti-PD-1-Antikörper vorzeitig aufgrund von behandlungsbedingten unerwünschten Ereignissen abgesetzt wurden. Die Abbruchraten lagen in den Zulassungsstudien bei lediglich 7,7 % und 13,0 %. Darüber hinaus ist die Gesamtrate der vorzeitigen Therapieabbrüche mit 61,0 % während des zwölfmonatigen Follow-up ebenfalls deutlich höher als in den Zulassungsstudien berichtet. Dort entschieden sich nur 39,2 % und 44,6 % der Patienten für einen Abbruch.

Dabei scheint nicht die Progression der Erkrankung schuld zu sein, denn die lag in den Checkmate-238- und EORTC 1325/Keynote-054-Studien höher. Anlass für eine frühzeitige Beendigung der Therapie - zumindest bei Patienten, die die Behandlung nach März 2019 angefangen haben - sehen die Autoren auch in der COVID-19-Pandemie. Während dieser wurde als Grund für einen Therapieabbruch häufiger "andere Gründe" vermerkt. Eine weitere Ursache könnte nach Meinung der Autoren darin liegen, dass Teilnehmende von Zulassungsstudien motivierter sind, auch unter starken Nebenwirkungen weiter mit der Therapie fortzufahren.

Fazit: Zulassungsstudien spiegeln nicht immer die Realität in der täglichen Praxis wider. Für Patienten mit malignem Melanom unter Anti-PD-1-Antikörper-Therapie wurden höhere Raten an starken Nebenwirkungen (≥ Grad 3) registriert sowie höhere Abbruchraten innerhalb eines Jahres.

De Meza MM et al. Adjuvant treatment for melanoma in clinical practice - trial versus reality. Eur J Cancer 2021; 158: 234-45