Welches kardiovaskuläre Risiko haben Patienten mit Alopecia areata im Vergleich zu Kontrollpersonen und wie hoch ist das Langzeitrisiko für einen Infarkt?

Verschiedene Studien lassen vermuten, dass es sich bei der Alopecia areata (AA) um ein systematisches Inflammationsgeschehen mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen handelt.

In einer retrospektiven populationsbasierten Kohortenstudie haben südkoreanische Forscher Daten der staatlichen koreanischen Krankenversicherung ausgewertet. Insgesamt wurde der Krankheitsverlauf von 228.886 AA-Patienten zwischen 30 und 89 Jahren analysiert und mit 4.577.720 geschlechts- und altersentsprechenden Kontrollpersonen ohne AA über eine Dauer von zwölf Jahren im Hinblick auf einen Myokardinfarkt verglichen. Das kardiovaskuläre Risikoprofil der Studienteilnehmer (Body-Mass-Index, Blutdruck, Nüchternglukose, Serumcholesterin, Raucherstatus) wurde vor und nach der AA-Diagnose erfasst.

Zu Studienbeginn waren die Werte des kardiovaskulären Risikoprofils in der AA-Gruppe mit Ausnahme des Raucherstatus etwas günstiger als in der Kontrollgruppe. Allerdings erreichten die Unterschiede keine klinische Signifikanz. Nur beim Nikotinkonsum zeigten sich deutliche Abweichungen (AA-Gruppe 25,3 % Raucher; Kontrollgruppe 23,0 % Raucher; p = 0,001). Dieser gesamte Trend setzte sich im Studienverlauf auch nach der AA-Diagnose fort.

Während des zwölfjährigen Beobachtungszeitraums wurden insgesamt 14.028 Myokardinfakte diagnostiziert. Die Studienautoren errechneten eine Inzidenzrate von 0,56/1.000 Personenjahre (PJ) in der AA-Gruppe und 0,52/1.000 PJ bei den Kontrollen. Damit hatten AA-Patienten insgesamt 7 % mehr Infarkte.

Bei näherer Betrachtung der Gesamtzeit fielen sehr unterschiedliche Verläufe bei den kumulativen Inzidenzen der beiden Gruppen auf: Während bei den Kontrollen das Infarktrisiko langsam und kontinuierlich über die Zeit anstieg, verlief die Kurve der Herzinfarktereignisse in der AA-Gruppe exponentiell. Zu Beginn lagen die Werte noch unter denen der Kontrollgruppe, doch dann erhöhte sich die Inzidenz rasch.

Diese zeitabhängigen Veränderungen des Infarktrisikos bei AA-Patienten spiegelten sich auch nach Berücksichtigung des kardiovaskulären Risikoprofils wider. In den ersten beiden Jahren nach der AA-Diagnose war das Risiko niedriger als in der Kontrollgruppe (Hazard Ratio [HR] 0,17) und stieg nur langsam an. Nach zwei bis vier Jahren lag es noch immer 65 % unter den Kontrollen (HR 0,35). Nach vier bis sechs Jahren stieg die HR auf 0,70, nach sechs bis acht Jahren auf 0,85. Nach acht bis zehn Jahren änderte sich das Bild: Jetzt lag das Risiko der AA-Patienten um 37 % über dem der Kontrollen und nach zehn bis zwölf Jahren hatte es sogar das 4,5-Fache (HR 4,51) erreicht. Wie die Subgruppenanalyse ergab, war dieser Effekt bei rauchenden AA-Patienten noch deutlicher und früher erkennbar als bei den Nichtrauchern.

Möglicherweise sei die AA ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung eines Myokardinfarkts, dessen Entwicklung sich unter einem chronischen Entzündungsprozess beschleunige, so die Autoren, die genaue Ursache kennen sie bislang nicht. Es könne ratsam sein, Patienten mit AA langfristig hinsichtlich ihrer Herzgesundheit zu überwachen und ihnen einen Rauchstopp nahezulegen.

Fazit: Unabhängig vom kardiovaskulären Profil ist das Myokardinfarktrisiko bei Patienten mit AA trotz anfänglicher Unauffälligkeit gegenüber den Kontrollen nach einigen Jahren rasant angestiegen.

Shin J. et al. Time-Dependent Risk of Acute Myocardial Infarction in Patients With Alopecia Areata in Korea. JAMA Dermatol. 2020; https://doi.org/d2qd