Oft erst wegen der Corona-Pandemie aus der Not heraus eingeführt, etabliert sich der Tele-Einsatz in deutschen Arztpraxen zunehmend. Das offenbarte eine repräsentative Ärztebefragung.

Immer mehr Ärzte finden Gefallen an der Videosprechstunde.
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Viele Ärzte haben Videosprechstunden in der Corona-Krise zwar eher aus der Not heraus eingeführt, erkennen mittlerweile aber das Potenzial dieses Instruments - das ist das Fazit der repräsentativen, bundesweiten Befragung der Stiftung Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem health innovation hub des Bundesgesundheitsministeriums.

Aktuelle Umfrageergebnisse

2.240 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten hatten sich an der Umfrage beteiligt. Aus ihren Antworten wird ersichtlich, dass Patienten vermehrt als Treiber der Entwicklung auftreten: Bei fast einem Drittel der Ärzte, die jetzt Videosprechstunden anbieten, haben Patienten aktiv nachgefragt. Im Mai 2020 boten laut Befragung bereits 52,3 % der Umfrageteilnehmer Videosprechstunden an, weitere 10 % beabsichtigen dies in Kürze. 37,6 % der Befragten haben dies nicht vor. Im Vergleich zu einer Befragung aus dem Jahr 2017 ist der Anteil der Nutzer damit deutlich gestiegen: Damals boten nur 1,8 % der befragten Ärzte diese Möglichkeit und 2,7 % hatten dies vor. 57,7 % der Befragten lehnten 2017 die Videosprechstunde noch strikt ab.

Interessant ist auch, dass Ärztinnen Videosprechstunden - anders als 2017 - mittlerweile häufiger nutzen als ihre männlichen Kollegen. Nur 26,3 % von ihnen lehnen die Videosprechstunde heute ab, bei den Männern sind es noch 47,8 %. Erklärbar ist dies mit dem hohen Frauenanteil (70 % der Teilnehmer) im psychologisch-psychotherapeutisch-psychiatrischen (PPP) Bereich, wo Videosprechstunden eine deutlich größere Rolle spielen als in anderen Fachgebieten. In den PPP-Fächern arbeiten bereits 80,5 % mit Videosprechstunde und weitere 5,6 % haben dies kurzfristig vor.

Bei den nicht operativ tätigen Fachärzten setzen 35 % Videosprechstunden ein und 13,5 % werden sie in Kürze einführen. Unter den Allgemeinmedizinern und praktischen Ärzten setzen 33,9 % die Videosprechstunde ein und 14,4 % wollen in Kürze nachziehen. Unter den operativ tätigen Fachärzten setzen derzeit 24,5 % die Videosprechstunde ein und weitere 12,9 % planen dies in Kürze.

Alter der Ärzte für Nutzung ausschlaggebend

Neben der Fachgruppenzugehörigkeit spielen auch das Alter der Ärzte, die Praxisform und der Standort eine Rolle. In der Gruppe der unter 40-Jährigen setzten im Mai 80 % Videosprechstunden ein, ein Fünftel lehnte sie ab. Bei den 41- bis 60-Jährigen lehnte ein Drittel der Befragten die Videosprechstunde ab, bei den über 60-Jährigen waren es 43 %. Unterschiede zeigen sich auch zwischen Ärzten in Praxen und in medizinischen Versorgungszentren. Zweitere Gruppe setzt Videosprechstunden deutlich seltener ein - auch dies lässt sich mit dem hohen Anteil der PPP-Fächer in (Einzel)-Praxen erklären.

Nicht nur die Zahl der Nutzer, sondern auch der Anteil des Videoeinsatzes an der gesamten Sprechstunde ist gestiegen. 84,3 % der Teilnehmer gaben an, dass die Videosprechstunde vor der Corona-Krise keine Rolle gespielt hatte. Bei rund 15 % nahm sie vor der Pandemie bis zu 20 % der Sprechstundenzeit ein. Während der Corona-Krise spielte die Videosprechstunde dagegen bei 5,6 % der Befragten gar keine Rolle. Bei mehr als der Hälfte der Befragten nahm sie bis zu 20 % der Sprechzeit ein, bei jedem achten Teilnehmer (11,9 %) sogar mehr als 80 %.

Nachhaltiger Effekt erwartet

Die Antworten zeigen, dass die Praxen mit einem nachhaltigen Effekt rechnen: Rund Dreiviertel erwarten, dass künftig bis zu 20 % der Sprechstundenzeit per Video erfolgen wird, nur 18 % rechnen mit keinem Anteil. Als Gründe für eine Ablehnung nennen 43,5 %, dass sie die Videosprechstunde für keine gute Form der Arzt-Patienten-Interaktion halten. Den organisatorischen und rechtlichen Aufwand nennen 24 % und 21 % geben an, dass sie sich mit der Technik noch nicht auseinandergesetzt hätten. Kostengesichtspunkte führen 16,9 % an, Vertraulichkeit und Datenschutzgründe spielen für 11 % eine Rolle. Gerechnet auf alle Ärzte, die sich an der Befragung beteiligt hatten, entspricht dies nur noch einem Anteil von 4 %. 2017 hatte noch mehr als jeder zweite Teilnehmer dieses Argument genannt.