Entpuppt sich eine vermeintliche Entlastung im Praxisalltag bei genauerer Betrachtung als verkappter Angriff auf das Honorar? Bislang wenig beachtet ist der Plan des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), ein bis zu viermal belieferbares Dauer- oder Wiederholungsrezept für chronisch Kranke zu ermöglichen.

Das Vorhaben, das Teil des Entwurfs zum Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken ist, soll helfen, überflüssige Arzt-Patienten-Kontakte zu vermeiden und auf diese Weise die Bürokratielast reduzieren. Ob er ein solches Dauerrezept ausstellt oder nicht, bleibt dabei dem Arzt überlassen.

Ärzteverbände sehen dieses Vorhaben mit gemischten Gefühlen: „Wenn die Systematik unverändert bleibt, wären die Honorare über die Ziffern ‚03220‘ und ‚03221‘ (Chronikerzuschläge) gefährdet“, so Dr. Veit Wambach, Hausarzt in Nürnberg und stellvertretender Vorsitzender des NAV-Virchow-Bundes auf Anfrage von Springer Medizin. Zur Erinnerung: Um die Chronikerzuschläge abrechnen zu können, sind mindestens drei Arzt-Patienten-Kontakte im Jahr erforderlich — davon zwei persönliche. Die Abrechnung beider Zuschläge bringt einen zusätzlichen Fallwert von 18,40 €.

Wambach sieht aber auch den medizinischen Aspekt einer solchen Regelung: Schlimmer seien die Einbußen bei der Versorgungsqualität. „Ohne Arztkontakt könnte die Kontrolle ausbleiben und eine notwendige Therapieanpassung zumindest verzögert werden“, fürchtet Wambach. Er sieht die Steuerungskünste seiner Kollegen gefordert, Patienten gezielt einzubestellen: Gerade bei chronisch Kranken seien regelmäßige Kontrollen sehr wichtig, um eine hohe Versorgungsqualität zu gewährleisten.

Umsatzanspruch darf nicht infrage gestellt werden

Dr. Klaus Reinhardt, Facharzt für Allgemeinmedizin und Vorsitzender des Hartmannbundes, teilt Wambachs Bedenken: „In keinem Fall darf dieses Instrument zum Erzielen irgendwelcher Einspareffekte missbraucht werden und zu Honorarverlusten führen. Wird der Umsatzanspruch der Kolleginnen und Kollegen an dieser Stelle infrage gestellt, dann ist damit die Aufrechterhaltung der erforderlichen Strukturen in der Versorgung gefährdet“, hebt Reinhardt hervor. Hier erwarte er „ein klares Signal der Krankenkassen“.

Reinhardt sieht aber auch die andere Seite: Die Frage, ob ein Dauerrezept überhaupt sinnvoll ist, sei in jedem Fall individuell zu entscheiden. „Grundsätzlich sehe ich durchaus die Möglichkeit positiver Effekte, wenn — in vertretbaren Fällen — dadurch Bürokratie abgebaut wird und überflüssige Patientenkontakte vermieden werden.“

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Ein Rezept, viermal zur Apotheke? Die Einführung eines Wiederholungsrezepts ist unter Ärzten nicht unumstritten.

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Pferd nicht von hinten aufzäumen

Der Kardiologe Dr. Hans-Friedrich Spies, Vorstandsmitglied des Berufsverbands Deutscher Internisten (BDI) und des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa), warnt davor, „das Pferd von hinten aufzuzäumen. Wir behandeln zuerst Patienten, dann müssen wir sehen, wie wir das abrechnen, gemäß dem Aufwand, der entsteht“, so Spies auf Anfrage.

Der geplante Arztvorbehalt sichere das Wiederholungsrezept ab — und wenn ein Kontakt nur dazu diene, ein Wiederholungsrezept zu unterzeichnen, dann könne man das ohne Qualitätsverlust wegrationalisieren, betont Spies. Wenn das dann Probleme bei der Abrechnung mache, „dann muss man halt die Abrechnungsbedingungen ändern“.