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Pillen und Tabletten sind ein lukrativer Markt — auch für Kriminelle. Geschätzte 10 Milliarden Euro beträgt der jährlich Umsatzverlust für die europäische Pharmaindustrie durch Arzneimittelfälschungen.

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Im Februar 2019 hat mit securPharm ein neues Schutzsystem in Europa gestartet, das bestimmte Sicherheitsmerkmale für rezeptpflichtige Arzneien vorschreibt. Die Medikamentenpackungen müssen künftig einen individuellen Barcode aufweisen, mit dem sich per Scan in der Apotheke bei Abgabe an den Patienten die Echtheit jeder einzelnen Packung überprüfen lässt. Als weiteres Sicherheitsmerkmal gibt es einen Öffnungsschutz. Dieser garantiert, dass Schachteln nicht schon aufgemacht oder Pillen umverpackt wurden.

Die neuen Sicherheitsmerkmale gelten für alle verschreibungspflichtigen Medikamente, die ein Hersteller neu in den Verkehr bringt.

Wie funktioniert das securPharm-System genau?

Das individuelle Erkennungsmerkmal beinhaltet vier Datenelemente: einen Produktcode, eine Seriennummer, die Chargenbezeichnung und das Verfallsdatum. Als Datenträger fungiert ein zweidimensionaler Data-Matrix-Code. Diese Daten werden vom Pharmaunternehmen in ein europaweites Datenbanksystem hochgeladen.

Das Arzneimittel wird dann in der Apotheke bei Abgabe an den Patienten durch Abscannen des Codes überprüft. Dabei wird dieser mit der Datenbank der pharmazeutischen Industrie abgeglichen und aus dem System „ausgebucht“. Wird eine Packung mit der gleichen Nummer abgefragt, so wird die Software dies erkennen und das Arzneimittel als Fälschung melden. Um den Datenschutz zu gewährleisten, wird die Verifikationsanfrage anonymisiert über einen separaten Apothekenserver bearbeitet und weitergeleitet. Falls rückgemeldet wird, dass die Verifizierung des Arzneimittels fehlgeschlagen ist, muss von einem möglichen Fälschungsverdacht ausgegangen werden. Die betroffene Packung darf nicht abgegeben werden.

Folgen für die ärztliche Praxis

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKDÄ) hat dazu bereits Ende vergangenen Jahres einen entsprechenden Hinweis erarbeitet — auch wenn Ärzte nicht primär von der Umsetzung der Fälschungsschutzrichtlinie in Deutschland betroffen sind. Dennoch könnten verunsicherte Patienten möglicherweise Rat bei ihrem Arzt suchen.

Ursache für eine solche Verunsicherung könnte etwa eine veränderte Aufmachung der Verpackung sein. Auch technische Probleme sind — vor allem in der Anfangszeit — nicht auszuschließen. Diese können sich negativ auf die Arzneimittelversorgung auswirken, etwa wenn Arzneimittel irrtümlich als Fälschungen eingestuft würden und daraufhin nicht abgegeben werden dürften. Kein Problem für die Praxis sind hingegen Ärztemuster: Diese müssen vom Hersteller bereits vor der Abgabe an den Arzt aus dem System ausgebucht werden.

Wie häufig kommen Fälschungen in Apotheken vor?

Die Zahl der Fälschungen in der legalen Lieferkette vom Hersteller über Großhändler bis in die Apotheken ist bisher gering. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) seien 2018 weniger als zehn Verdachtsfälle gemeldet worden. Davon könnten dann aber jeweils etliche Packungen betroffen sein, zudem bleibe eine Dunkelziffer. Die Einnahme gefälschter Arznei könne „gravierende gesundheitliche Auswirkungen“ haben, warnt die Behörde.

Manipuliert würden Wirkstoffe und Zusammensetzungen, aber auch Herkunftsangaben. „Bei den Fälschungen handelte es sich meist um Originalware, die illegal umverpackt wurde oder um Originalware aus Diebstählen, die wieder in die legale Vertriebskette eingebracht wurde“, erklärt ein Sprecher des BfArM.

Das größte Fälschungstor ist der Onlinevertrieb

Weit problematischer bleibt der illegale Handel mit Medikamenten im Internet oder mit geschmuggelter Ware. Bei der weltweiten Operation Pangea wurden 2018 in Deutschland rund 1.200 Pakete binnen einer Woche aus dem Verkehr gezogen. 100.000 Tabletten, Kapseln und Ampullen wurden beschlagnahmt darunter verbotene Nahrungsergänzungsmittel und Schmerzmedikamente. In der EU machte die Pharmaindustrie dadurch rund 10 Milliarden Euro Verlust pro Jahr, erklärte das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum 2016. Davon entfiel gut eine Milliarde auf deutsche Hersteller. Dazu kommt der Imageschaden, der Firmen durch Kriminelle entsteht.