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Unweit des Reichstagsgebäudes, im Langenbeck-Virchow-Haus auf dem Campus der Berliner Charité, fand dieses Jahr das 9. Allergo Update statt.

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Chronische Urtikaria: Allergie gegen sich selbst

„Keine Erkrankung ist mehr eine Frauenerkrankungen, als die Urtikaria“, erklärte Prof. Marcus Maurer, Berlin — drei von vier Betroffene sind Frauen. Die weltweite AWARE-Studie zeigte, dass 90 % der Patienten zu Studienbeginn Quaddeln hatten, knapp die Hälfte Angioödeme. Und das auch noch nach einem Jahr — laut allerneuster Daten sogar noch nach zwei Jahren. „Und das erschreckendsten an der Geschichte: acht von zehn befragten Patienten haben ihre chronische Urtikaria nicht unter Kontrolle“, bedauerte Maurer. Das werde zwar besser, aber es wird nicht gut. Maurer bekräftigte, wie wichtig es sei, gerade die Patienten, die bereits aufgegeben haben, „wieder ins Boot zu holen“. Denn heute gebe es weit bessere Behandlungsmöglichkeiten als noch vor fünf Jahren.

Eine neue große Studie konnte zeigen, dass Kinder mindestens genauso häufig betroffen sind wie Erwachsene: jedes zehnte Kind in Deutschland hat eine cU. Und wenn Kinderärzte diese Zahl aus ihrem Praxisalltag heraus nicht bestätigen können, dann stimmt etwas nicht am System. „Dann sind diese Kinder irgendwo und leiden vor sich hin. Hier müssen wir alle aktiv werden und unsere kinderärztlichen Kollegen weiterbilden, informieren, sensibilisieren“, so Maurer.

In der Ursachenforschung gab es in den letzten zwei Jahren große Fortschritte: cU ist eine Autoimmunerkrankung. Fast alle cU-Patienten zeigen hohe Mengen an IgE, das gegen körpereigene Autoallergene gerichtet ist — laut einer aktuellen Studie bis zu 100 % [Lakin et al. Theranostics. 2019: in press].

Maurer empfiehlt, den Patienten ihre Erkrankung anders zu erklären als früher: als „Allergie gegen sich selbst“. Dies sei ein Konzept, mit dem die Patienten besser arbeiten könnten. Damit wird die oft frustierende Ursachensuche beendet, es sind nämlich nicht der Hund, die Arbeit oder der Stress — die Erkrankung kommt von innen.

Als Goldstandart für die Therapie gelten nicht sedierende Antihistaminika (sgAH). Aber nur jeder 20. Patient, bei dem die erstverschriebene Dosis nicht anspricht, erhält die nächste Stufe der Leitlinie: die zwei- bis vierfache Dosis des gleichen sgAH. Maurer empfiehlt ausdrücklich, zu versuchen, mit einer höheren Dosis Kontrolle zu erreichen — und bei Ansprechen langsam zu reduzieren. Erst wenn die höchste sgAH-Dosis nicht anschlägt, sind Omalizumab und Cyclosporin angezeigt.