Die Ärzte einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) können sich die Arbeit so aufteilen wie sie wollen. Scheidet ein Arzt aus, dann ist für die Nachbesetzung die gesamte BAG in den Blick zu nehmen, nicht die Fallzahlen des einzelnen Arztes. Das hat der Vertragsarztsenat des Bundessozialgerichts (BSG) im vergangenen Jahr klargestellt.

Der Senat entschied zudem, dass bei der Prüfung des Einzuges eines Vertragsarztsitzes in eine BAG auch die Belange der verbliebenen Mitglieder zu berücksichtigen sind. Damit werden die Rechte und Freiheiten einer BAG deutlich gestärkt — im Ergebnis auch im Vergleich zu Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), deren Sitze ganz ohne Prüfung nachbesetzt werden.

Konkret hat eine chirurgische BAG in Berlin einen wichtigen Etappensieg errungen. Sie bestand ursprünglich aus zwei Chirurginnen und einem männlichen Kollegen, der im Mai 2015 verstarb. Schon in den Jahren davor lag seine Tätigkeit mit 24 bis 132 Fällen pro Quartal weit unter dem Arztgruppendurchschnitt von rund 750 Fällen. Im letzten Quartal vor seinem Tod hatte er nur noch vier Patienten behandelt. Die Zulassungsgremien waren daher der Meinung, der Verstorbene habe seinen Vertragsarztsitz nicht ausgefüllt. Daher sei nur ein halber Sitz nachzubesetzen. Auch das Sozialgericht Berlin hatte die Ansicht vertreten, bei der Nachbesetzung — auch in einer BAG — komme es auf den einzelnen Arzt an.

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Mit seiner Entscheidung schützt das Bundessozialgericht Gemeinschaftspraxen.

© Jan Haas / dp

Einer für alle, alle für einen

Das BSG hat diesem Prozedere nun klar widersprochen. „Ist der Vertragsarztsitz, für den ein Nachbesetzungsverfahren beantragt wird, einer BAG zugeordnet, ist für die Möglichkeit der Praxisfortführung auf die BAG und nicht auf den einzelnen Arzt abzustellen.“ Die BAG habe nur eine Abrechnungsnummer, Behandlungen, die gegebenenfalls durch mehrere Ärzte erfolgten, blieben ein Behandlungsfall. Daher sei die BAG schon nach bisheriger Rechtsprechung immer als „Einheit“ gesehen worden. Dass inzwischen die Lebenslangen Arztnummern (LANR) auch in der BAG die Zuordnung zum einzelnen Arzt ermöglichen, habe daran nichts geändert.

Belange aller Mitglieder achten

In welchem Umfang Sitze nachbesetzt werden, hängt nach dem Kasseler Urteil in überversorgten Gebieten von der Erforderlichkeit ab. Bei der Prüfung, ob ein Sitz halb oder gar ganz eingezogen wird, seien aber auch „die berechtigten Belange der verbleibenden Mitglieder einer BAG zu berücksichtigen“.

Recht eindeutig sind wohl Fälle, in denen der ausgeschiedene Arzt als einziger über bestimmte Befähigungen verfügte, auf die aber die ganze Praxis angewiesen ist, etwa für Magnetresonanztherapie. Doch auch eine eingespielte Arbeitsteilung, die sich nicht aus formalen Befähigungen ergibt, kann danach eine volle Nachbesetzung erforderlich machen. Zu berücksichtigen seien auch Anforderungen der Berufsgenossenschaften, die auf lange Praxisöffnungszeiten angewiesen sind, wie sie eine Einzelpraxis kaum gewährleisten kann.

Im Streitfall soll der Zulassungsausschuss nach diesen Maßgaben prüfen, ob hier ein halber Sitz eingezogen werden kann. Die BAG hatte bereits auf eine unterdurchschnittliche Versorgung in ihrem Stadtviertel verwiesen.