Als „bahnbrechend“ bezeichnete Prof. Jorge Frank, Göttingen, den ersten kurativen Therapieansatz für eine Erkrankung der ektodermalen Dysplasien. Bei diesen heterogenen Erkrankungen kommt es zu Fehlentwicklungen an mindestens zwei der ektodermalen Organe oder Organanteile. Die häufigste Form ist die X-chromosomale hypohidrotische ektodermale Dysplasie. Patienten weisen dünnes, schütteres Haar und Haarverlust, Hypo- oder Anodontie sowie gestörte Anlagen von Talg- und Schweißdrüsen auf. Durch insuffiziente Thermoregulation kann es zu einer lebensbedrohlichen Hyperthermie kommen. Zudem sind die Erkrankten sehr anfällig für rekurrente Atemwegsinfektionen und Konjunktivitiden.

Der X-chromosomale hypohidrotischen ektodermalen Dysplasie liegt eine Mutation in dem Gen zugrunde, das für das Signalmolekül Ectodysplasin A1 (EDA1) kodiert. Hierdurch ist die Bindung an den spezifischen Rezeptor EDAR unzureichend. In der Folge werden Schweißdrüsen, Haare und Zähne nicht oder abnorm angelegt.

Im Mausmodell konnte bereits früher durch Injektion eines rekombinanten EDA1-Proteins, das aus der Rezeptorbindungsdomäne von EDA1 und dem Fc-Fragment des Immunglobulins G1 zusammengesetzt ist, in das Fruchtwasser trächtiger Mäuse eine vollständige Phänotypreversion der murinen X-chromosomalen hypohydrotischen ektodermalen Dysplasie erzielt werden [Hermes K et al. J Invest Dermatol. 2014; 134: 2985-7]. Das Ersatzprotein bindet an den Rezeptor EDAR und setzt so die Anlage der ektodermalen Strukturen in Gang, erläuterte Frank.

Auf Wunsch einer Mutter, die bereits einen Sohn mit X-chromosomaler hypohidrotischer ektodermaler Dysplasie hatte und die nun mit erkrankten Zwillingen schwanger war, wurde erstmals und unter hohen ethischen Auflagen ein individueller Heilversuch mit einem rekombinanten humanen EDA1-Ersatzprotein beim Menschen vorgenommen [Schneider H et al. N Engl J Med. 2018; 378: 1604-10]. Hierzu erfolgten intraamniotische Injektionen in der 26. und und der 31. Schwangerschaftswoche. Bei einer weiteren schwangeren Frau mit einem ebenfalls betroffenen Fötus wurde die Behandlung einmalig in der 26. Gestationswoche durchgeführt. Bei allen drei pränatal behandelten Kindern kam es zur Ausbildung von Schweißdrüsen und Zahnanlagen. Zwar erfolgte die Behandlung in Hinblick auf die Ausbildung von Haaren zu spät, aber dieser Zeitpunkt wurde aus ethischen Gesichtspunkten bewusst gewählt, da die Kinder bei einem eventuellen Zwischenfall schon entwicklungsfähig gewesen wären.

Diese wichtige Publikation zeige nicht nur die erfolgreiche Phänotypreversion einer bisher unheilbaren genetisch bedingten Erkrankung aus der Gruppe der ektodermalen Dysplasien auf. Die intraamniotische Einschleusung des rekombinanten EDA1-Proteins in den fetalen Blutkreislauf über die Fc-Komponente humaner Antikörper habe außerdem Modellcharakter: Dieser Therapieansatz könnte eine neue Ära der pränatalen kurativen Enzymsubstitutionstherapie einläuten, hob Frank hervor. Die intrauterine Therapie mit rekombinantem EDA1 soll jetzt in einer größeren klinischen Studie evaluiert werden.